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Aschersleben reagiert auf demograf schen Wandel Ehemalige 40 000-Einwohner-Stadt verliert trotz Eingemeindungen weiter an Bürgern

Von Harald Vopel 25.07.2009, 05:27

Aschersleben. Der demografsche Wandel – die Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung – und der Rückgang der Einwohnerzahlen wird für die Stadt Aschersleben in den kommenden Jahren wahrscheinlich zu einem größeren Problem als die Arbeitslosigkeit werden. Davon geht jedenfalls Oberbürgermeister Andreas Michelmann aus.

Seit 1989 ist die Einwohnerzahl drastisch gesunken. Damals wohnten am 31. Dezember in Aschersleben immerhin noch 40 225 Menschen. Darunter 19 329 männliche und 20 894 weibliche Einwohner. Am 30. Juni 2008 waren es noch 29 726 ( 14 280 männliche und 15 446 weibliche ). Allerdings prof tierte Aschersleben seit dem Jahr 2004 von den Eingemeindungen benachbarter Ortschaften. Damals machte die Ortschaft Winningen den Anfang.

Weitere Eingemeindungen folgten : 2005 Klein Schierstedt, 2006 Wilsleben, 2008 Drohndorf, Freckleben und Mehringen. Zum 31. März 2009 entschieden sich Groß Schierstedt, Schackenthal, Westdorf und Neu Königsaue zum Beitritt zur Stadt Aschersleben. Damit stieg die Zahl der Einwohner auf 29 06. Wenn mit Wirkung zum 1. Januar 2010 auch Schackstedt nach Aschersleben wechselt, dann werden hier wieder knapp über 30 000 Menschen wohnen.

Diese Zahl dürfte allerdings nur für kurze Zeit Bestand haben. Prognosen, erstellt durch das Statistische Landesamt, gehen davon aus, dass es im Jahr 2025 nur noch knapp 22 000 Ascherslebener geben wird.

Den bisher größten Aderlass musste Aschersleben übrigens im Jahr 1991 hinnehmen. Damals verringerte sich die Einwohnerzahl innerhalb von zwölf Monaten um 1 023. Während in diesem Jahr allein 711 Menschen der Stadt den Rücken kehrten, brach auch die Zahl der Geburten ein. So standen damals 254 Neugeborene 566 Sterbefällen gegenüber.

Zunächst kann Ascherslebens Oberbürgermeister der aktuellen Lage sogar etwas Positives abgewinnen. Er verweist darauf, dass im Jahr 1995 mehr Ascherslebener auf einer Fläche von damals 52 Quadratkilometern lebten als heute auf 147 Quadratkilometer - dank der Eingemeindungen. Global gesehen sei das vergleichbar sogar so etwas wie das Leben im Paradies. Das sorge beispielsweise dafür, dass sich die Grundstückspreise auf einem eher niedrigen Niveau bewegen. Diese Tatsache könne zumindest einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass sich das negative Verhältnis der Weg- und Zuzüge etwas zugunsten der Zuzüge abschwäche.

Michelmann beschreibt aber auch die Herausforderung, die sich aus den Zukunftsprognosen für die Stadtentwicklung ergeben werden. So ist es für in Aschersleben ansässige Firmen bedeutend schwieriger als vor zehn Jahren, geeignete Lehrlinge aus der Stadt zu rekrutieren. Diese Erkenntnis habe allerdings auch bei den betroffenen Firmen zu einem Umdenken geführt. Sie beteiligten sich inzwischen viel häufger an sogenannten Berufsorientierungsveranstaltungen,

bei denen sie den Schülerinnen und Schülern ihre Ausbildungsangebote unterbreiten, als früher.

In Sachen Stadtentwicklung - speziell unter der prognostizierten demograf schen Entwicklung - verweist Michelmann auf die Konzeption eines Rückbaus von außen nach innen : " Die Neubaugebiete, die vor der Wende als letzte entstanden, haben wir als erste wieder abzureißen begonnen. 700 Wohnungen sind so in den vergangenen Jahren dem Bagger zum Opfer gefallen. Immer unter dem Blickwinkel des Einwohnerrückgangs und auch der Erhaltung von bezahlbarem Wohnraum. " Dieses Vorgehen solle dazu beitragen, das Zentrum der Stadt lebensfähig zu erhalten, so Michelmann.

Folgen des negativen Trends - wonach sich die Zahl der schulfähigen Mädchen und Jungen halbiert hat - seien auch die Schließungen von Schulen gewesen. So hat sich die Stadt in den vergangenen Jahren von einem Gymnasium, drei Grundschulen und einer Sekundarschule verabschiedet. Alternative Schulformen wie die christliche Grundschule und die Montessori-Schule haben dazu geführt, dass die Schüler aus einem Einzugsgebiet von 25 Kilometern - anstatt von fünf Kilometern - einschulen können.

Andererseits hätten sich zunehmend Seniorenheime, Alterspfegedienste und Stätten des betreuten Wohnens angesiedelt. Auch das sei eine Reaktion auf die zukünftige Entwicklung der Altersstruktur der Bürger. Für die Stadt sei der Zeitpunkt der Landesgartenschau und der Internationalen Bauausstellung im kommenden Jahr so etwas wie ein Kulminationspunkt in Sachen Baugeschehen. " Bis dahin werden die größten Bauprojekte abgeschlossen sein ", sagt Michelmann. Er selbst sieht danach einen anderen Schwerpunkt - die Investition in personelle Schlüsselrollen. Gemeint ist die Investition in Arbeitsplätze, die dazu betragen, das Gemeinwesen der Stadt am Leben zu halten.