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Frauen erobern die Männerdomäne der Berufskraftfahrer / Manche Fahrgäste gucken erstaunt : Wer sitzt denn da hinter dem Steuer?

Von Tilman Treue 16.06.2009, 05:02

Jeden Tag sitzen Juliane Rettig und Jutta Nestler hinter dem Steuer ihres tonnenschweren Fahrzeugs. Jeden Morgen stehen sie bei Zeiten auf, um Kinder in die Schule oder Erwachsene zur Arbeit zu bringen. Beide Frauen haben den gleichen Beruf : Sie sind zwei von fünf Busfahrerinnen bei der Kreisverkehrsgesellschaft Bernburg und täglich auf den Straßen des Salzlandkreises unterwegs.

Calbe / Bernburg. " Eines habe ich auf jeden Fall gelernt : Mich durchzusetzen ", lacht Juliane Rettig aus Bernburg. Seit zehn Jahren fährt sie in und um Bernburg Linienbusse. Sie kam eher zufällig zu dem Beruf, den sie auf keinen Fall mehr missen möchte. " Ich war auf Lehrstellensuche und mein Bruder hat mich dann darauf gebracht, mich für diese Ausbildung zu bewerben ", erzählt die 29-Jährige, die damals nicht daran geglaubt hat, dass sie tatsächlich als Azubi genommen wird. Doch die Bewerbungstests liefen bestens und so folgte auf den Pkw-Führerschein direkt der für den Omnibus.

Ganz anders kam Jutta Nestler hinter das Steuer ihres Linienbusses. Die Großmühlingerin ist gelernte Maschinenanlagen-Monteurin und kam 1989 zum damaligen VEB Kraftverkehr nach Calbe. " Angefangen habe ich in der Kantine und dann auch als Reinigungskraft ", erinnert sich die 42-Jährige, für die schon damals feststand, dass sie irgendwann selbst Bus fahren möchte. Zu DDR-Zeiten war das nicht möglich, denn für den Bus-Führerschein war der für den Lkw Voraussetzung und den hatte Jutta Nestler nicht. So begann sie zunächst mit Sonderfahrten in der Behinderten-Beförderung und schaffte schließlich im Jahr 2000 den Umstieg auf den " großen Bus ".

Beide Frauen haben sich gut in der Männerdomäne der Berufskraftfahrer eingefuchst und werden von Kollegen und Fahrgästen voll akzeptiert, wie sie versichern. Die Anfangszeit war dennoch spannend. Jutta Nestler über ihren ersten Tag " auf Linie " : " Mich haben sie gleich mit einem Ikarus-Schlenki nach Schönebeck geschickt. Ich war aufgeregt, ja, aber es hat alles geklappt. "

Mit kleineren Problemen hatten beide in der Anfangszeit zu kämpfen, aber das ging auch ihren männlichen Kollegen nicht anders, die anfangs gern ihren Spaß mit den Busfahrerinnen machten.

" Dumme Sprüche kamen öfter von den Kollegen. Anfangs hat mich das ganz schön genervt, aber man gewöhnt sich daran, und ich gebe mittlerweile auch gern zurück ", lacht Juliane Rettig, die von ihren Kollegen nur " Jule " gerufen wird. Beide Frauen waren übrigens nicht die ersten Busfahrerinnen ihres Betriebes, so dass der Weg schon ein bisschen geebnet war. " Manche Fahrgäste haben dennoch erst mal geguckt, wer da hinter dem Steuer sitzt ", erinnert sich die Bernburgerin, " aber das waren Ausnahmen. "

Wie alle Kollegen sind auch die beiden Busfahrerinnen so gut wie jeden Tag mit Schulkindern unterwegs. Gerade hierbei ist Fingerspitzengefühl und der richtige Ton wichtig. " Durch die Sonderfahrten mit den Behinderten im Kleinbus war ich schon vorgeschult ", war Jutta Nestler im Vorteil, während Jule Rettig das erst nach und nach lernen musste. " Mit Grölen erreicht man gar nichts ", so die Bernburgerin, die sich ohnehin eher als ruhig bezeichnet.

Es ist die Liebe zu ihrem Beruf, die beide Frauen jeden morgen wieder zur Arbeit treibt. " Ich bin gern unter Menschen und habe mein Hobby zum Beruf gemacht ", ist sich Jutta Nestler sicher. Ihre Bernburger Kollegin stimmt ihr zu : " Ich könnte mir gar nichts anderes vorstellen. " Vor allem der Schichtdienst hat sich mittlerweile eingespielt und beide möchten die abwechslungsreichen Tage hinter dem Steuer ihres Busses nicht missen.

Neben schwierigen Situationen, vor allem im Winter, bringt der Beruf als Busfahrer gleichermaßen lustige Erlebnisse mit sich. " Naja, ich hab schon ein paar mal schlafende Fahrgäste mit auf den Betriebshof gebracht ", räumt Jutta Nestler ein und ihre Kollegen lachen.

Aber wer weiß, vielleicht war es einfach die ruhige Fahrweise der Busfahrerin, die die Passagiere in den Schlaf befördert hat. Sätze à la " Sie fahren besser als ein Mann ", hat jedenfalls auch Juliane Rettig schon öfter von ihren Fahrgästen bekommen und sich natürlich gefreut.