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Wenn nicht gerade Hochwasser herrscht, setzt Erhardt Kretzmann Tag für Tag über die Elbe herüber Der Fährmann, der den Sohn ins Boot holte

Von Ulrich Meinhard 19.03.2009, 06:06

Obwohl die Pegel wieder sinken, kann jeder Passant sehen, welche Wassermassen die Elbe derzeit führt. Bevor der Fährbetrieb Anfang März eingestellt wurde, besuchte die Volksstimme Fährmann Erhardt Kretzmann in Breitenhagen – er bringt seit acht Jahren Menschen und Fahrzeuge sicher über den Elbstrom.

Breitenhagen. Erhard Kretzmann bringt seit acht Jahren Menschen und Fahrzeuge über die Elbe. Für die Fährstelle Tocheim ( Landkreis Anhalt-Bitterfeld ) Breitenhagen ( Salzlandkreis ) musste er im Jahr 2000, nach seiner Ausbildung in Barby, ein eigenes Patent ablegen. Seitdem ist er als Fährmann selbständig.

Anfangs bewältigte er die 50-Stunden-Woche allein. Eine Kraftanstrengung, die nicht lange durchzuhalten war. Kretzmann machte die Sache seinem Sohn schmackhaft, warb um ihn, er möge als Partner mit einsteigen. Der sei anfangs nicht sonderlich begeistert gewesen, erinnert sich der 58-Jährige mit einem Lächeln. Fährmann sein bedeutet : viel zeitlicher Aufwand, wenig Einnahmen. Das große Geld sei nicht zu machen.

Harte Einschnitte nach Jahrhundertflut

Doch Sohn Andy ließ sich letztlich überzeugen : hinüber muss schließlich immer jemand. Nur Sturm oder Eisgang können die Überfahrt verhindern. Nach der Jahrhundertfut im Jahr 2002 hatte der Fährmann eine harte Zeit durchzustehen. Sieben Monate lang war kein Betrieb möglich. " Ich hatte keine Rücklagen. Aber Lebenshaltungskosten fallen ja trotzdem an. Mir stand das Wasser bis zum Hals ", gebraucht der Fährmann ein insbesondere für seine Branche wenig erstrebenswertes Bild.

" Im Sommer werden wir beneidet, im Winter will keiner mit uns tauschen ", berichtet Kretzmann von der jahreszeitlich variierenden Rückmeldung der Fahrgäste. Er selbst jedenfalls mag sich nichts anderes mehr vorstellen. " Jetzt bleibe ich dabei ", sagt der gelernte Schlosser. Hier, unmittelbar am Biosphärenreservat, seien Elbe und Auenlandschaft am schönsten. " Ich genieße die Natur. Und ich habe sie jeden Tag unmittelbar vor mir. Wunderschön sind die Laubfärbungen im Herbst und die bizarren Eiskristalle im Winter ", versichert der Fährmann.

Wenn der Eisvogel auf Fischzug geht

Es klingt ehrlich, versetzt mit einem schwärmerischen Hauch der Zuneigung an eine großteils naturbelassene Umgebung, in der noch der Eisvogel auf Fischzug geht. " Man muss natürlich ein Auge dafür haben ", verweist der Mann in der marineblauen Winterjacke und der typischen Elbeschiffermütze auf eine Tugend.

Er habe auch schon die Fahrradwege auf beiden Seiten der Elbe ausprobiert und könne die westliche Variante nur empfehlen. Hier sei Lehmboden vorherrschend, im Gegensatz zum sandigen Untergrund auf der Ostseite. Kretzmann, der an Bord seiner Fähre auch wasserfeste Fahrradwanderkarten anbietet, verfolgt mit dem Finger den Streckenverlauf. Der führe auf westlicher Seite viel näher an der Elbe entlang, befindet er. Und außerdem, der gebürtige Breitenhagener zeigt verbal geschickt eingebauten Lokalpatriotismus, gäbe es in seinem Heimatort zwei gute Pensionen.

Unzufrieden ist er mit der Ausschilderung auf seine Fähre im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Von Aken aus fehle es an deutlichen Hinweisen für Kraftfahrer. Doch, doch, er habe diesbezüglich bereits bei den zuständigen Ämtern um Verbesserung ersucht. Die hätten sich letztlich herausgeredet. Es würde nicht anders machbar sein, habe es geheißen. Sogar mit Innenminister Holger Hövelmann, der in Zerbst wohnt und hin und wieder die Fähre Breitenhagen-Tochheim nutzt, habe Kretzmann darüber schon gesprochen. Aber erstens sei es nicht der Zuständigkeitsbereich des Ministers und zweitens habe der sicher ganz andere Sorgen. " Wenn er von meinem Deck herunter ist, hat er schon wieder völlig andere Gedanken im Kopf ", vermutet der Fährmann.

" Letztendlich ist es ja keine schwere körperliche Arbeit. Und der tagtägliche Kontakt mit Menschen ist auch interessant ", führt er weitere positive Seiten seiner Tätigkeit ins Feld. Hilfreich wäre freilich ein " Verbund " mit den anderen, zumeist kommunal betriebenen Fähren im Umkreis. Dann könne man sich gegenseitig vertreten und aushelfen und Urlaub sei dann auch mal drin.

Ehrfurcht vor der Leistung des Bootes

Über die Funksprechanlage meldet sich der Schiffsführer der gerade vorüber schippernden MS " Wodnik ". Er will wissen, ob sich ein Besuch des am Breitenhagener Ufers postierten ehemaligen Elbfrachters " Marie-Gerda " lohnt. Im Bauch des Schiffes ist ein Museum und eine Gaststätte untergebracht. " Ich kenne den Pott noch aus Zeiten, in denen er in Dresden in Betrieb war ", sagt der Mann über Funk. Ein bisschen Ehrfurcht vor der " Lebensleistung " des Bootes schwingt in seiner Stimme mit.

Kretzmann wartet die Passage der langsam flussaufwärts stampfenden " Wodnik " ab, um dann ein weiteres Mal die auf der Ostseite wartenden Passagiere an Bord seiner Fähre zu holen. Die meisten von ihnen bleiben an diesem Tag in ihren warmen Autos sitzen.

Kretzmann grinst. " Wenn Sie noch Fragen haben, können sie mich ja anrufen ", sagt er. Netter ( Fähr- ) Mann.