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Prozess um Tod eines Dachdeckers Wer trägt die Schuld an dem Unfall?

08.01.2014, 01:10

Von Wolfgang Biermann

Stendal l Um den tragischen Unfalltod eines Dachdeckers in Tangermünde geht es seit gestern vor der Berufungskammer am Landgericht in Stendal. Der 44-Jährige war am 8. März 2011 bei Arbeiten am Dach der St. Stephanskirche vom Gerüst gefallen. Bei dem Sturz aus mehr als 13 Meter Höhe zog er sich schwerste Verletzungen zu, denen er kurze Zeit nach dem Sturz erlag.

Auf der Anklagebank sitzen drei renommierte Firmenchefs der Kaiserstadt, die der fahrlässigen Tötung beschuldigt werden. Das Amtsgericht hatte im Vorjahr zwei von ihnen schuldig gesprochen: den Geschäftsführer der Dachdeckerfirma und eine vom Kirchengemeinderat beauftragte Sicherungskoordinatorin. Beide sollten je 6000 Euro Geldstrafe zahlen.

Witwe ist als Nebenklägerin am Verfahren beteiligt

Den Geschäftsführer der Gerüstbaufirma sprach das Amtsgericht frei. Gegen diesen Freispruch richtet sich das Rechtsmittel der Witwe und der beiden Kinder des verunglückten Dachdeckers. Sie sind im Prozess über zwei Anwälte als Nebenkläger am Verfahren beteiligt.

Die Verteidiger der beiden verurteilten Angeklagten hatten für ihre Mandanten Berufung eingelegt. Auffällig war zum Auftakt, dass im Gegensatz zum erstinstanzlichen Prozess alle Beteiligten um Sachlichkeit bemüht waren. Am Amtsgericht hatten sich die fünf Anwälte teils hitzige Wortgefechte geliefert. Gestern sagten die Witwe und ihre beiden Kinder aus, dass sie noch heute gravierend unter dem Tod von Ehemann beziehungsweise Vater leiden würden - körperlich wie auch seelisch.

Architekt möchte im Prozess nicht aussagen

Bekannt wurde, dass gegen den Architekten der Arbeiten an der Kirche ermittelt wird. Dieser ließ gestern von seinem Anwalt erklären, dass er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen werde, weil er als Beschuldigter nicht als Zeuge im Berufungsverfahren aussagen müsse. Des Weiteren erfuhr die Volksstimme von Oberstaatsanwältin Brigitte Strullmeier, dass es auch Ermittlungen gegen den Vorarbeiter gibt, der mit dem Erstellen des Gerüstes beauftragt war.

Um dieses Gerüst geht es auch hauptsächlich. Anklage und Amtsgerichtsurteil gehen davon aus, dass es nicht nach Anweisung des Herstellers aufgebaut war und der Gebrauch im Gegensatz zu geltenden Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften stand. Die Verteidiger rücken dagegen eine mögliche Selbstgefährdung des Dachdeckers in den Fokus. Demnach könnte die Bohle, mit der er in die Tiefe stürzte, von ihm selbst gelöst worden sein.

Acht Verhandlungstage hat der Vorsitzende Richter Gundolf Rüge für den Prozess bislang angesetzt. Der nächste ist am Freitag. Es sollen zahlreiche Zeugen und auch Sachverständige gehört werden.