1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. "Man muss auch mal Nein sagen können"

Oberbürgermeister Klaus Schmotz spricht über die A14, Theater-Finanzen und Amtsmüdigkeit "Man muss auch mal Nein sagen können"

10.01.2014, 01:19

Im Volksstimme-Interview sagt der Stendaler Verwaltungschef, was er in seinem letzten Amtsjahr noch vor hat. Mit dem Oberbürgermeister sprach Redaktionsleiter Bernd-Volker Brahms.

Volksstimme: Herr Schmotz, was haben Sie gedacht, als am Mittwoch das Urteil zum Baustopp bei der A14 kam? Oder haben Sie einfach nur mit der Faust auf den Tisch gehauen?

Klaus Schmotz: Ich bin wohlerzogen, darum sage ich es lieber nicht, was ich gedacht habe. Es ist einfach sehr ärgerlich. Ärgerlich ist dabei nicht nur der BUND mit seiner Klagewut, sondern auch, dass die Planer beim Land ihren Job nicht richtig gemacht haben. Das ist nicht akzeptabel. Zum BUND muss man sagen, dass sie die Interessen der Mehrheit mit Füßen treten. Die Region wartet schon sehr lange auf diese Autobahn.

Volksstimme: Was denken Sie über den BUND, sie waren ja im Dezember zur Mahnwache vor deren Geschäftsstelle in Magdeburg dabei?

"Ich bin der grünste Schwarze, den man sich vorstellen kann"

Klaus Schmotz: Es ist löblich, wenn sich jemand für Umweltbelange einsetzt. Ich bin selbst der grünste Schwarze, den man sich vorstellen kann - so viele Bäume, wie wir in Stendal schon gepflanzt gaben. Die Klagewut des BUND geht aber zu weit, das ist für mich ein mangelndes Demokratieverständnis. Für den jetzt betroffenen Autobahnabschnitt waren etwa 65Millionen Euro für Umweltbelange eingeplant.

Volksstimme: Hat die Verzögerung Auswirkungen auf die Stadt?

Klaus Schmotz: Nicht unmittelbar. Bei uns laufen ja die Planungen für das Gewerbegebiet in Borstel am Flugplatz. Wir wollen für die ersten Investoren Baurecht haben, wenn die A14 da ist. Man muss allerdings sagen, dass die Ansiedlung kein Automatismus ist.

Volksstimme: Das Gewerbegebiet wurde direkt am Flugplatz angesiedelt, was für Unternehmen wollen sie locken?

Klaus Schmotz: Die Ursprungsidee war es tatsächlich, sogenanntes flugaffines Gewerbe anzusiedeln. Es gab auch schon mal ein Interesse eines deutsch-russischen Konsortiums, dass dort Kleinsthubschrauber herstellen wollte. Das ist aber aus verschiedenen Gründen nichts geworden. Wir sind offen. Logistikbetriebe würden sich anbieten. Die Altmark profiliert sich aber auch zunehmend bei den regenerativen Energien. Da könnte ich mir Unternehmen aus der Forschung und Entwicklung vorstellen. Außerdem gibt es eine sehr gute Lebensmittelverarbeitung und auch die Metallbranche ist hier gut vertreten.

Volksstimme: Sie haben sich nicht nur über den BUND geärgert, sondern auch über die juristische Auseinandersetzung um den Netto-Markt. Können Sie die Reaktion der Gegner nicht nachvollziehen, nachdem es einen derartigen Kahlschlag an Bäume für den Discounter gegeben hat?

Klaus Schmotz: Es gab seinerzeit die Aussage der Investoren, dass so viele Bäume wie möglich erhalten werden sollen. Bei realistischer Überlegung musste klar sein, dass nicht viele Bäume stehen bleiben können, wenn ein Markt plus Parkplatz entstehen sollen. Es wäre ehrlich gewesen, den Leuten das genauso zu sagen. Die Stendaler waren an dieses Wäldchen gewöhnt und wollten es wohl behalten. Aber wenn wir immer alles erhalten wollen, dann würden die Menschen heute noch in Höhlen wohnen.

Volksstimme: Vielleicht ist es aber auch nur die Alternative, die einige Stendaler aufregt. Statt eines Kleinods kommt jetzt ein weiterer Discounter, obwohl es in der Stadt bereits 21 Märkte gibt.

Klaus Schmotz: Sie haben recht, es gibt genug Märkte. Wir sind gut versorgt, sogar überversorgt. Es gibt einen Verdrängungswettbewerb.

Volksstimme: Sie haben im Stadtrat ja seinerzeit entsprechend gegen die Ansiedlung des Marktes gestimmt?

Klaus Schmotz: Ja, weil sich letztendlich Leerstände ergeben werden und das ist für die Stadtentwicklung hässlich. Es gibt einige Beispiele, insbesondere der ehemalige Obi-Markt an der Tangermünder Straße, aber auch das Kaufhaus Uppstall. Man denkt, dass es eine Verpflichtung der Eigentümer gegenüber dieser Gebäude gibt, das ist aber eine Wunschvorstellung. Die werden einfach leergezogen und stehengelassen. Bei dem speziellen Fall des neuen Netto-Marktes muss man allerdings sagen, das das Unternehmen den Markt in Süd aufgeben und auch abreißen wird, das ist vertraglich fixiert.

Volksstimme: Apropos Süd. Gibt es Pläne für das Areal?

Klaus Schmotz: Schon 2002 hat der Stadtrat beschlossen, dass dort irgendwann alles abgerissen wird. Es gibt dort noch etwa 500 Einwohner und die Gebäude sind in privaten Besitz. Der Stadt fehlt der Zugriff und überhaupt der Ansprechpartner. Der Wohnungsmarkt könnte die Einwohner in Stendal locker aufnehmen.

Volksstimme: Auch zu den Mietpreisen?

Klaus Schmotz: Das ist eine andere Frage. So günstig sicherlich nicht. Aber die Mieten sind dort nicht realistisch.

"Wir haben richtig viel Geld, das ist aber auch schnell ausgegeben"

Volksstimme: Was soll denn alternativ in Süd entstehen oder sollen dort Kühe weiden?

Klaus Schmotz: Ja, dann sollen da lieber Kühe weiden.

Volksstimme: Aber es sind dort ja Straßen und Versorgungsleitungen vorhanden. Wäre es nicht sinnvoll dort eine Neubaussiedlung zu planen?

Klaus Schmotz: Individueller Wohnungsbau richtet sich immer nach der Lage. Würden sie dort bauen wollen?

Volksstimme: Momentan sicher nicht.

Klaus Schmotz: Wir brauchen eine dichte Besiedlung. Wir müssen uns gesund schrumpfen, auch um eine bezahlbare Infrastruktur zu haben. Daher ist es nicht sinnvoll ein Außengebiet wie Süd zu entwickeln. Es ist für die Stadtwerke teuer, dort die Versorgungsleitungen vorzuhalten.

Volksstimme: Gilt diese Konzentration auf die Kernstadt Stendal auch für andere Bereiche wie die Schulen?

Klaus Schmotz: Der ländliche Raum muss so ausgestattet sein, dass er lebenswert bleibt. Wir haben daher noch die Grundschule in Börgitz. Aber insgesamt muss man natürlich den demografischen Wandel sehen, die Infrastruktur muss an die sinkenden Einwohnerzahlen angepasst werden.

Volksstimme: War es nicht feige vom Stadtrat gegenüber Eltern, Lehrern und anderen Beteiligten, dass er keine Entscheidung zur Schulentwicklung zustande gebracht hat?

Klaus Schmotz: Es ist verständlich, dass bei der nicht ganz einfachen Lage man dem Landkreis die Entscheidung überlassen hat. Allerdings muss man in der Politik auch mal Nein sagen können und nicht nur herumlavieren. Eine klare Aussage ist oft schwierig.

Volksstimme: Auch weil man wiedergewählt werden will.

Klaus Schmotz: Ja.

Volksstimme: Im Mai sind Kommunalwahlen. Wie wichtig ist es ihnen, dass sie im Stadtrat eine konservative Mehrheit hinter sich haben?

Klaus Schmotz: Bis zur Eingemeindung 2010 gab es keine bürgerliche Mehrheit. Ich kann mit beiden Konstellationen leben. Wichtig ist, dass ich bei wichtigen Entscheidungen eine Mehrheit habe. Sehen Sie zum Beispiel den Anteileverkauf der Stadtwerke 2002, das war eine der wichtigsten und richtigsten Entscheidungen überhaupt.

Volksstimme: Wieviel Spielraum haben Sie als Verwaltungschef eigentlich, dieser bemisst sich ja im wesentlich an den Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Wie hoch lag die Summe 2013?

Klaus Schmotz: Rund 8,5 Millionen Euro. Wir haben richtig viel Geld, 70 Millionen Euro.

Volksstimme:Sagen Sie das lieber nicht zu laut.

Klaus Schmotz: Der Spielraum ist trotzdem gering, das Geld ist schnell ausgegeben. Wir unterhalten Schulen und Kindergärten, organisieren die Straßenreinigung und müssen die Verwaltung bezahlen. Wir werden übrigens auch 2014 einen ausgeglichenen Haushalt hinbekommen, wenngleich er eng gestrickt ist.

Volksstimme: Welche Investitionen können getätigt werden.

Klaus Schmotz: In allen Kindereinrichtungen werden die Brandschutzkonzepte umgesetzt. Demnächst wird auch die Sanierung der Grundschule Nord abgeschlossen sein, es ist die letzte Schule im Bestand, bei der die Sanierung fertig wird. Auch die Fassade des Rathauses wird saniert. Darüber hinaus werden die Marienkirchstraße, die Rohrstraße sowie die Osterburger Straße samt Bahnbrücke gemacht.

Volksstimme: Steht mittlerweile die Finanzierung des Theaters der Altmark?

Klaus Schmotz: Die Verträge für die kommenden fünf Jahre müssen noch unterschrieben werden. Erfreulicherweise hat das Land aufgestockt und wird neben den 1,48 Millionen Euro wie in der Vergangenheit auch 50 Prozent der Tarifsteigerungen übernehmen.

Volksstimme: Diese Steigerungen blieben ja sonst an der Stadtkasse hängen.

Klaus Schmotz: Richtig. Die anderen 50 Prozent übernehmen die Landkreise Stendal und Salzwedel zusätzlich. Mit dem neuen Budget ist die Ansage an den Intendanten und die Belegschaft ausgegeben, dass sie auf jeden Fall mit dem Geld hinkommen müssen.

Volksstimme: Wie hoch ist jetzt der Beitrag der Stadt?

Klaus Schmotz: Wir zahlen etwa 1,06Millionen Euro, also auch etwas mehr als bisher. Dies ist auch ein Signal ans Land und die beiden Kreise. Das Theater stand nie zur Dispostion. Wenn dies wegfallen würde, ginge Lebensqualität verloren. Wir sollten lieber einen Supermarkt zumachen.

Volksstimme: Ihre Amtszeit läuft noch ein Jahr. Was haben Sie noch vor?

Klaus Schmotz: Der Bahnhofstunnel und das gesamte Bahnhofsareal sollen fertig werden. Das kostet ein Wahnsinnsgeld.

Volksstimme: Werden Sie 2015 für eine dritte Amtszeit kandidieren?

Klaus Schmotz: Das werde ich im Spätsommer mitteilen.

Volksstimme: Warum erst dann? Aus taktischen Gründen oder weil Sie selber noch nicht zu einem Entschluss gekommen sind?

Klaus Schmotz: Ich bin gut zwölf Jahre im Amt, solange hat es nach 1945 keiner ausgehalten. Vorher gab es einige, die haben 30 Jahre regiert. Das ist aber nicht mein Ziel. Es kommt auf die Umstände an, dazu gehört der dann neu gewählte Stadtrat und auch der neue Stadtratsvorsitzende. Aber auch persönliche Perspektiven gehören dazu. Mit 63Jahren kann man auch noch etwas Anderes machen.

Volksstimme:In welche Richtung schlägt das Pendel aus?

Klaus Schmotz: Es schlägt gar nicht aus, weil ich mich mit der Frage derzeit nicht beschäftige.

Volksstimme: Keine Amtsmüdigkeit?

Klaus Schmotz: Ich gehe gerne ins Rathaus. Aber ob man amtsmüde ist, müssen ohnehin andere beurteilen. Wenn man von anderen angesprochen wird, dass man besser gehen sollte, dann wird es Zeit. Es gibt ja den Spruch: Wenn Dir keiner mehr widerspricht, dann frage Dich warum.

Volksstimme: Sie haben noch genug Widerspruch?

Klaus Schmotz: Ja, jeden Tag.