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Peter-Michael Katzenstein Klaviatur eines Lebens mit Down-Syndrom

Am Valentinstag vor 63 Jahren ist Peter-Michael Katzenstein geboren
worden - mit dem Down-Syndrom. Ein zusätzliches 21. Chromosom in jeder
Zelle sorgte dafür, dass er sich nicht so wie andere Kinder entwickelte.
Dass er in der Tangerhütter Lebenshilfe trotzdem ein erfülltes Leben
lebt, das macht ihn nicht nur am morgigen Welt-Down-Syndrom-Tag
glücklich.

20.03.2014, 12:18

Tangerhütte l Wenn Peter-Michael Katzenstein von seiner Familie erzählt, dann lächelt er noch ein wenig mehr als sonst. Aufgeregt bewegen sich die flinken Finger, während er sich an möglichst viele Details in seinem Alltag zu erinnern versucht: etwa, wie viele Bahnstationen es sind, bevor er in Möser von seiner Schwester abgeholt wird. Die hat eine Tochter mit kleinen Kindern und für die spielt Großonkel Peter-Michael auch schon mal den Weihnachtsmann.

Er hat eifrig trainiert und kann heute ganz alleine, ohne Betreuung, mit dem Zug nach Möser reisen. Dort wurde er 1951 geboren, und zwar in einer Zeit, als der Umgang mit Behinderungen wie seiner eine ganz andere war. "Bis er neun Jahre alt war, ist er einfach zu Hause geblieben, denn es gab keine Kindertagesstätte oder Schule, in die er hätte gehen können", erzählt Doreen Schumann, Leiterin für den Bereich stationäres und intensiv betreutes Wohnen bei der Lebenshilfe.

Sie kennt Peter-Michael Katzenstein seit vielen Jahren und auch seine Lieblingsbeschäftigung, das Akkordeonspielen. Das hat er sich selbst beigebracht. Weil er keine Noten lesen kann, spielt er nach Gehör, und das richtig gut.

In seinem Zimmer im Wohnheim neben den Lebenshilfewerkstätten ist schnell zu sehen, was für ihn neben seiner Familie die größte Bedeutung hat: Musik, ganz besonders die von Andrea Berg. "Die ist toll", sagt er. Sein rotes Akkordeon, aber auch der rote CD-Player sind für ihn die wichtigsten Dinge in seiner Umgebung.

In den Tangerhütter Werkstätten arbeitet Peter-Michael im Bereich Metallverarbeitung, und das schon seit vielen Jahren. Dabei kommt ihm seine Fingerfertigkeit zugute. Seit 1991, mit der Gründung des Lebenshilfe-Vereins für die Region Stendal, ist er in Tangerhütte zu Hause, davor war er lange Jahre im Tangermünder Faserplattenwerk beschäftigt und vorher als Ernte­helfer und in der Korbmacherei. Das war noch in Uchtspringe.

Dort wurde er als Neunjähriger in die Schule geschickt und später weiter betreut. Heute steht er mitten im Leben, erzählt von seinen Erlebnissen, hat Freunde und bewirtet auch ganz gerne Gäste. Selbst die sonst bei Down-Betroffenen üblichen Probleme mit dem Herzen und anderen Organen sind bisher an ihm vorbeigegangen. "Wenn Peter-Michael früher gefördert worden wäre, wäre sicher noch viel mehr möglich gewesen", sagt Dörthe Wallbaum, Leiterin des begleitenden Dienstes der Lebenshilfe in Tangerhütte.

Für Feinfühligkeit und Freundlichkeit bekannt

Morgen wird der weltweite Down-Syndrom-Tag, seit drei Jahren von der UNO anerkannt, begangen. Das Datum, der 21. März, steht symbolhaft für das charakteristische Merkmal des Down-Syndroms, das dreifache Vorhandensein des 21. Chromosoms. Der Aktionstag wurde erstmals 2006 in Genf von den europäischen und internationalen Interessenverbänden für das Down Syndrom organisiert.

Bundesweit gibt es rund 50 000 Betroffene der Genommutation, die auch "Trisomie 21" genannt wird. Sie seien ganz besonders für ihre Feinfühligkeit bekannt, für ihre Freundlichkeit und für ihre Sensibilität, erzählt Dörthe Wallbaum. "Auch Peter drückt gerne andere Menschen und liebt die Geselligkeit in seiner Wohngruppe."

In der Tangerhütter Einrichtung für Menschen mit Behinderung gibt es 14 Männer und Frauen mit dem Down-Syndrom, Peter-Michael Katzenstein ist unter ihnen der Älteste. Dass er in Kürze in den Ruhestand gehen wird, beschäftigt ihn noch wenig, denn er kann auf dem Gelände der Lebenshilfe wohnen bleiben.

Auch sein Einzelzimmer wird er behalten, denn in der Tangerhütter Lebenshilfe gilt das "Heimatrecht" für langjährige Mitarbeiter. Eine Regelung, die allerdings auch für Probleme sorgt, denn der Platz fehlt für die Jüngeren. "Wenn ich mir etwas wünschen könnte für Peter, dann wären es mehr Pflegekräfte zur Unterstützung und ein höherer Betreuungsschlüssel, denn gerade für die älteren Jahrgänge ist es wichtig, durch individuelle Förderung Fähigkeiten zu erhalten", sagt Dörthe Wallbaum.