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19-jähriger Maschinenschlosser war Stendals erster Gefallener im Ersten Weltkrieg 470 Kriegsgefangene starben in Stendal

Von Nadin Hänsch 28.03.2014, 02:18

Archivleiterin Simone Habendorf lud jüngst zu einer Spurensuche zum Ersten Weltkrieg ins Stendaler Stadtarchiv.

Stendal l "Der erste Stendaler Soldat fiel am 6. August 1914 im Ersten Weltkrieg, der fünf Tage zuvor ausbrach", erzählt die Leiterin des Stadtarchivs. Der Kriegsgefallene war ein 19-jähriger Maschinenschlosser, der in der Frommhagenstraße wohnte, fährt Simone Habendorf fort.

In Stendal gab es ein Gefangenenlager, dass flächenmäßig so groß wie der Stadtsee war, erzählt Habendorf. Das Gelände, auf dem das Lager errichtet wurde, diente zuvor dem Husaren-Regiment 10 als Exerzierplatz. Die Grenzen des Lagers reichten im Osten bis zur Osterburger-Straße, im Westen zum Eichenweg, im Süden zum Pappelweg und im Norden bis zum Ahornweg, erzählt die Leiterin. Es bestand aus insgesamt 124 Baracken auf einer Fläche von rund 40000 Quadratmetern.

Erste Kriegsgefangene trafen ein

Im September 1914 trafen die ersten russischen Kriegsgefangenen in Stendal ein, die kurz darauf im Lager untergebracht wurden. Bereits im Dezember beherbergte das Lager 12000 Russen. Die Menge der Abwässer war enorm: Täglich wurden rund 95000 Liter auf die angrenzenden Rieselfelder abgelassen, berichtet Habendorf.

Wie aus einem Bericht an den Regierungspräsidenten in Magdeburg hervorgeht, trafen am 23. Dezember 1914 innerhalb von 48 Stunden etwa 9000 weitere Gefangene ein. Das Lager war überfüllt, und es herrschten Krankheiten wie Typhus, Cholera und die Spanische Grippe.

Die Gefangenen wurden zum Arbeitseinsatz unter anderem in die Glaserei Badewitz, Gärtnerei Bertram, Zuckerfabrik und ins Johanniter-Krankenhaus geschickt. Es war Pflicht, in Kriegskleidung zu arbeiten, da es keine Lagerkleidung gab. Nur einem Deutschrussen, Julius Busse, wurde erlaubt, Bürgerkleidung zu tragen, weil er im "Schwarzen Adler" beschäftigt war.

Stendal führte sogar Lagergeld für die Gefangenen ein, mit dem sie in bestimmten Geschäften Waren kaufen konnten. "Die Gefangenen durften jedoch nur in Begleitung ihres Arbeitgebers einkaufen gehen", erzählt Habendorf. Die Geschäftsleute tauschten später das Geld im Lager in richtiges Geld um.

Am Kriegsende 1918 verzeichnete Stendal insgesamt 764 Kriegstote und 470 tote Kriegsgefangene, bei rund 28500 Einwohnern zu Kriegsbeginn.

Mit diesen und weiteren neuen Erkenntnissen zum Ersten Weltkrieg setzten sich die Besucher des Stendaler Stadtarchivs auseinander. Spuren aus den Büchern und Akten des Archives wurden zusammengetragen.