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Mail mit exklusiven Beobachtungen Gerichtsnotizen einer Sparkassen-Personalrätin

24.05.2014, 01:27

Stendal l Elektronische Post bekamen am Dienstag die "lieben Kolleginnen und Kollegen" der Stendaler Kreissparkasse. Cornelia Herbst hatte dafür extra einen Briefbogen mit einem dezent-verspielten roten Farbverlauf ausgewählt. Es ist solch ein Bogen, auf dem gerne Lyrik zitiert oder Liebesschwüre aufs Papier gebracht werden. Um es vorwegzunehmen - Herbst blieb weitaus nüchterner. Kein Wunder, immerhin bot sie unter ihrer Unterschrift gleich drei Funktionen auf: "Sachbearbeiter Betriebsorganisation, Personalratsvorsitzende, Beschäftigtenvertreterin im Verwaltungsrat".

Aber spannend war es allemal, was die oberste Vertreterin der Sparkassen-Belegschaft niedergeschrieben hat: "Ich habe es heute endlich einmal geschafft, einem der Gerichtsprozesse, welche unser Haus tangieren (...) beizuwohnen." Herbst hatte sich auf den Weg in den Saal 122 des Stendaler Landgerichtes gemacht, in dem an diesem Tag erstmals die Klage des Verwaltungsrates - dem sie ja angehört - gegen den langjährigen Vorstandsvorsitzenden Dieter Burmeister verhandelt wurde.

Messerscharf ist denn auch ihre Schlussfolgerung, die sie nach ihrem Gerichtsbesuch aufschreibt: "Es ist also davon auszugehen, dass es mit 99,99% Wahrscheinlichkeit morgen wieder Berichterstattung in den regionalen Medien geben wird. (...) Seien Sie hierdurch einfach nur etwas vorbereitet und nicht allzu überrascht." Nein, das werden die "lieben Kolleginnen und Kollegen" schon nicht gewesen sein. Womöglich hatten sie während ihrer Mittagspause erste Berichte auch schon im Radio gehört oder online gelesen. Denn das "heute" und "morgen" ist in den Medien schon viel länger Geschichte als die Ära Burmeister bei der Sparkasse.

Noch bemerkenswerter ist aber, das "regelrechte ,Blitzlichtgewitter` in alle Richtungen durch die anwesenden Journalisten/Reporter", das Cornelia Herbst vor dem Verhandlungstermin wahrgenommen haben will. Und in geradezu perfekter Horch Guck-Manier registrierte sie "insgesamt 4 Personen dieses Berufsstandes - 1 weibliche Person und 3 männliche Personen".

Warum gerade das so interessant sein mag? Nun, auf den wenigen Bildern ist Herbst selbst auch zu sehen - in trauter Eintracht mit ihrem Ex-Chef und dem ebenfalls in mehrere Gerichtsverfahren verwickelten ehemaligen Abteilungsleiter Gerhard U. Das stellt die Personalratsvorsitzende allerdings nicht so detailliert, dafür aber um so prosaischer dar: "Im Vorfeld (...) fanden (...) verschiedene Begrüßungshandlungen und Gespräche statt - warum auch nicht". Was sie verschweigt: Umarmungen, Wangen- oder Handküsse blieben übrigens aus, jedenfalls nach den Beobachtungen der "insgesamt 4 Personen dieses Berufsstandes" - Sie ahnen es sicher schon - jener "Journalisten/Reporter".

Als solcher fragt man sich natürlich, was dieser Brief soll. Fürchtete Frau Herbst, dass die sehr enge Tuchfühlung misszuverstehen war? Immerhin hatte ihr Lebensgefährte im Kreistag und bei einem anderen Gerichtstermin in ähnlicher Qualität Präsenz gezeigt. Oder hängt es vielleicht damit zusammen, dass in der nächsten Woche die Wahl der Bedienstetenvertreter für den Verwaltungsrat anstehen?

Was dann im Gerichtssaal näher passierte, spart Cornelia Herbst geflissentlich aus. Nur soviel: Sie empfiehlt, "sich selbst ein Bild zu machen, um schlicht und ergreifend die dort herrschende Atmosphäre einmal höchst selbst erlebt zu haben, die gesprochenen Worte der Agierenden höchst selbst gehört zu haben..."

Da hätte sie allerdings schon noch verraten können, dass die Richterin die häufig wechselnden Dienstwagen nicht gerade als besonders günstige Lösung für Herbsts Arbeitgeber ansieht und dass es ihrer Ansicht nach durchaus strikte Kontrollmechanismen bei den Bauvergaben hätte geben sollen. Das waren deutliche Hinweise, die einen Wink geben sollten, in welche Richtung dieses Verfahren segelt.

Und wenn Cornelia Herbst von ihrem Dienstzimmer mit bester Aussicht auf den Fuhrpark etwas besser aufgepasst, diese Beobachtungen einmal zu Papier gebracht und ihre Kontrollfunktion etwas ernster genommen hätte, wären solche Gerichts-Ausflüge am Dienstag und ihre Kollegen-Einladung zu der noch anstehenden Vielzahl an weiteren Terminen vielleicht gar nicht nötig gewesen...