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Gericht muss Handgreiflichkeit aus dem Jahre 2011 klären Nachbarn mit Katze beworfen

Von Wolfgang Biermann 17.07.2014, 01:14

Stendal l Um einen seit Jahren schwelenden Nachbarschaftsstreit, der in eine handfeste Auseinandersetzung mit zwei verletzten Rentnern mündete, geht es seit dem 5. Juni vor der Berufungskammer am Landgericht Stendal. Gestern ist die Beweisaufnahme mit vier Zeugenaussagen und dem Gutachten des Rechtsmediziners Dr. Werner Kuchheuser fortgesetzt worden. Staatsanwaltschaft, Nebenklagevertreter und Verteidigung haben ihre Plädoyers gehalten.

Wie berichtet, ist ein heute 75-Jähriger aus einem Dorf bei Stendal angeklagt, am 20.April 2011 seinen nur wenige Jahre jüngeren Nachbarn aus Verärgerung über eine Ruhestörung geschlagen und getreten zu haben. Der Angeklagte rechtfertigt einen Schlag mit Notwehr, denn sein Nachbar hätte ihm zunächst eine Katze ins Gesicht geworfen und ihn sodann mit einem Schlag zu Boden gestreckt, sodass er kurzzeitig ohnmächtig gewesen sei. Schon zweimal hat das Amtsgericht Stendal eine Notwehrsituation nicht ausgeschlossen und den 75-Jährigen nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" freigesprochen. Nach dem ersten Freispruch legte der als Nebenkläger im Prozess vertretene Nachbar sogenannte Sprungrevision beim Oberlandesgericht Naumburg ein. Die Richter dort hoben den Freispruch auf und verwiesen den Fall zurück ans Amtsgericht - an einen anderen Richter. Doch der kam zu dem selben Ergebnis: Freispruch. Dagegen legte der Nachbar Berufung ein, die jetzt am Landgericht verhandelt wird.

War das Opfer überhaupt zu einer Notwehr in der Lage?

Im Mittelpunkt des Prozesses steht für den Vorsitzenden Richter Gundolf Rüge die Frage, ob das vermeintliche Opfer überhaupt in der Lage war, den Angeklagten in eine Notwehrlage zu versetzen. Denn laut mehr als einem halben Dutzend verlesener amtlicher Dokumente gilt der Nachbar als schwerst behindert und pflegebedürftig. Er soll fast blind und bettlägerig und eines Angriffs somit eigentlich nicht fähig sein. Doch dem widersprachen etliche Zeugen aus der Nachbarschaft, die den angeblich Schwerstbehinderten des Öfteren bei den verschiedensten Tätigkeiten beobachtet haben wollen. Auch von einem Verfahren wegen Sozialleistungsbetruges war die Rede.

Der Nebenklagevertreter fordert eine Geldstrafe

Rechtsmediziner Dr. Kuchheuser schloss letztlich nicht aus, dass der Nachbar "an der Auseinandersetzung beteiligt" war. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft plädierte auf sogenannte Notwehrüberschreitung. Der Angeklagte habe die Grenzen der Notwehr wohl überschritten, soll dafür aber nicht bestraft werden. Der Nebenklagevertreter forderte eine Geldstrafe und der Verteidiger Freispruch.