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Berufung gegen Chefarzt Selbstmord nicht verhindert

Von Wolfgang Biermann 23.07.2014, 01:16

Stendal l Ab Donnerstag muss sich der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie/Psychotherapie im Salus-Fachklinikum Uchtspringe vor der Berufungskammer am Landgericht Stendal wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung "durch Unterlassen" verantworten.

Der 50-Jährige soll im September 2011 eine aus dem Elb-Havel-Winkel wegen Suizidabsicht eingelieferte Patientin nicht ausreichend überwacht haben. Einen Tag nach ihrer Einlieferung beging die Frau mit Hilfe eines Bademantelgürtels in einem Patientenzimmer Selbstmord. Kurz bevor sie der Chefarzt im Rahmen einer Visite untersuchen wollte.

"Bei Anordnung medizinischer Überwachungsmaßnahmen (...) wäre der Suizid der Patientin vermeidbar gewesen", heißt es in der Anklage. Doch das sah Strafrichter Thomas Schulz im Prozess vor dem Amtsgericht am 20. Januar dieses Jahres anders, trotz einer Gutachterin, die dem Angeklagten erhebliche Schuld zugesprochen hatte. "Ein eigenverantwortlicher Suizid ist hier nicht ausgeschlossen", begründete der Richter den Freispruch. Das Urteil schloss den Freispruch einer Assistenzärztin ein, die zugleich der fahrlässigen Tötung angeklagt war.

Das Amtsgerichtsurteil fußt auf einem Urteil des Landgerichts Gießen vom 28. Juni 2012. Demnach sei Beihilfe zu eigenverantwortlichem Selbstmord nicht strafbar. "Wer als zuständiger Arzt einer psychiatrischen Klinik (...) nichts zur Verhinderung eines freiverantwortlich begangenen Selbstmordes unternimmt, macht sich nicht strafbar, auch wenn der betreffende Patient wegen Suizidgefahr überwiesen wurde."

Die Staatsanwaltschaft, die für den Chefarzt eine Geldstrafe in Höhe von 48000 Euro gefordert hatte, legte Berufung gegen den Freispruch ein. Und die soll nun ab Donnerstag vor der Berufungskammer unter Vorsitz von Richterin Gudrun Gießelmann-Goetze verhandelt werden. Vier Termine sind angesetzt. Nach derzeitigem Stand ist das Urteil am 28. August zu erwarten. Laut Gesetz steht auf fahrlässige Tötung Gefängnis bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.