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Ausgrabungen fördern historische Alltagsgegenstände zutage Schatzsucher in Stendal

19.08.2014, 01:16

Seit einem knappen Vierteljahr forscht der Archäologe Manfred Böhme mit seinem Team am Stendaler Marktplatz nach Überresten aus längst vergangenen Zeiten. Gefunden hat er nicht nur alte Tonscherben, sondern auch interessante, tierische Artefakte.

Von Christian Bark

Stendal l Seit Juni laufen die Bauarbeiten an der Marienkirchstraße nahe dem Stendaler Marktplatz. Als der Straßenbelag entfernt wurde und die ersten Bagger im Boden zu buddeln begannen, war auch Manfred Böhme vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie am Start.

Der Archäologe analysiert die verschiedenen Erdschichten, jede steht für eine Epoche der Stadtgeschichte. Zeichnerin Sofia Streißenberger hält die Veränderungen des Bodens während des Bauprozesses auf Papier fest. Die Zeichnungen, entnommene Bodenproben und gefundene Gegenstände wie Tonscherben oder Holzstücke ermöglichen einen Einblick in die historischen Begegebenheiten der Straße vor vielen hundert Jahren, erklärt Manfred Böhme. Noch bis in den Oktober hinein laufen die Ausgrabungen entlang der Marienkirchstraße, danach verfasst der Archäologe seinen Bericht.

Abfälle und Holzreste sind wichtige Zeitzeugen

Holzfragmente legen laut Böhme die Vermutung nahe, dass entlang der Brüderstraße im 12. Jahrhundert eine Art Entwässerungsgraben verlaufen sein muss. "Das war früher ein sehr feuchtes Gebiet", sagt er. Die Straßen waren im Mittelalter hauptsächlich mit organischem Material wie Holz, Mist oder Stroh befestigt. Davon zeugen gefundene Holzbohlen. "An den Jahresringen am Holz können wir ziemlich genau das Alter des Materials feststellen", erklärt Böhme. Im Mittelalter hatte es um Stendal herum noch reichlich Holz gegeben. Erst im Spätmittelalter folgten auf Stendals Straßen Pflastersteine.

Daneben wurden auch Abfälle für die Straßenbefestigung verwendet. Beispielsweise die Schale einer Auster. Die Meerestiere gelten seit der Frühen Neuzeit als begehrtes Nahrungsmittel. "Anhand solcher Funde lässt sich ein Stück Alltagskultur rekonstruieren", sagt Böhme. In der Erde fand er Hufnägel, Tonscherben und Fragmente von Fayencen. Letztere stammten allerdings aus dem 18. Jahrhundert.

Böhmes ältester Fund dürfte etwa 90000 bis 120000 Jahre alt sein. Es handelt sich um das unscheinbare Knochenstück eines Mammuts. Dieses könnte in Urzeiten an dieser Stelle verendet sein, erzählt der Archäologe. Auf Höhe der Hallstraße fand Manfred Böhme weitere tierische Knochenreste aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. "Die wurden zur Herstellung von Würfeln genutzt", erklärt der Archäologe und verweist dabei auf einige Exemplare, anhand derer man den Herstellungsprozess des Spielzeugs nachvollziehen kann. Die Funde schlummerten in gut 1,50 Meter Tiefe. Aus anderen Knochen wie den Hornzapfen von Schafen oder Rindern fertigten Knochenhauer in Mittelalter und Früher Neuzeit Kämme an.

Würfel- und Kammreste als Straßenbelag genutzt

Menschliche Knochenreste grub Manfred Böhme nahe der Marienkirche aus. "Auf dem Kirchhof wurde noch bis ins 19. Jahrhundert hinein bestattet", so Böhme. Seine Arbeit ist für Manfred Böhme wenig abenteuerlich. Vornehmlich ginge es um präzises Dokumentieren und sauberes Konservieren nach bestimmten Methoden. Mit Indiana Jones habe der Beruf, den der Archäologe seit 1980 ausübt, wenig zu tun. "Archäologen sind keine Schatzgräber", sagt er. Im vergangenen Jahr unternahm Böhme seine erste Ausgrabung in Stendal, damals im Birkenhagen. "Die Altmark ist mittlerweile meine archäologische Heimat geworden."

Darüber, was der Archäologe bis Oktober noch unter dem aufgerissenen Straßenpflaster finden wird, kann er nur spekulieren. "Ich vermute, dass Interessantes zutage tritt, wenn der Marktplatz in naher Zukunft saniert wird." Böhme legt vermutet beispielsweise, dass Reste von Glockengieß-Anlagen unterm Pflaster verharren. Ihm zufolge wurden die Kirchglocken nämlich in unmittelbarer Nähe des Gotteshauses gegossen, also wahrscheinlich auf dem Marktplatz. Dort habe es genug Raum für das Unterfangen gegeben.

Marktplatz könnte weitere Schätze beherbergen

Nach Ansicht Böhmes lässt sich noch sehr viel mehr über die mittelalterliche Geschichte Stendals, insbesondere die des 12. und 13. Jahrhunderts herausfinden. Ausgrabungen liefern dazu die passenden Puzzlestücke.