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DDR-Frachter "Solidaritätsgüter" wurden der MS Arendsee zum Verhängnis

Die MS "Arendsee" trug einst den Namen der kleinen altmärkischen Seestadt über die Weltmeere. Vor 30 Jahren sank das Schiff.

15.09.2014, 10:51

Der 23. Mai 1978 war für die Arendseer ein besonderer Tag. Nach jahrelangen Bemühungen des damaligen Rates der Stadt Arendsee wurde unter der Baunummer 280 das Motorschiff "Arendsee", in Anwesenheit der Bürgermeisterin Elfriede Oesterheld und mehrerer Stadtverordneter, von der Rostocker Neptun-Werft an den VEB Deutfracht-Seereederei übergeben und in Dienst gestellt. Als eines von 19 Schiffen der "Poseidon"-Serie, deren Namen alle auf "-walde" oder "-see" enden, hatte es die Aufgabe, für den Außenhandel der damaligen DDR Stückgüter oder bis zu 148 Container und im 470 Kubikmeter großen Kühlraum bei minus 20 Grad kleine Partien von Kühlgut zu transportieren. Bis 1980 verkehrte das 120,60 Meter lange und 17,60 Meter breite Schiff mit 5660,92 Bruttoregistertonnen im Liniendienst zwischen DDR und Mittelmeer. Danach wurde es im Liniendienst der Deutschen Seereederei zu den Staaten in Ost- und Westafrika eingesetzt.

Russisches Schiff stemmtesich gegen den Bug

Die MS "Arendsee" transportierte hauptsächlich Stückgüter und Container, ebenso Lebensmittel, Düngemittel, Fahrzeuge sowie Industrieanlagen von Rostock, Hamburg oder Rotterdam nach Afrika. Die Rückladung bestand zumeist aus Kaffee, Tee, Kakao, Ölsaaten und Edelhölzern. Durch gegenseitige Kontakte, besonders mit den damaligen Stadtverordneten, entstanden enge Freundschaften zwischen Arendseer Bürgern und der Besatzung um Kapitäns Heinz Wagner.

Die vermeintliche friedliche Mission der MS "Arendsee" wurde jedoch am 30. Juli 1984 jäh unterbrochen. Zu diesem Zeitpunkt brachte das Schiff in das im Bürgerkrieg befindliche Angola laut damaliger Pressemitteilung Lastkraftwagen, Nahrungsmittel und andere "Solidaritätsgüter". In den Morgenstunden des 30. Juli explodierten auf der Reede von Luanda, der Hauptstadt Angolas, Haftminen mit angeblich amerikanischen Firmenschildern unter dem Rümpfen des angolanischen Küstenmotorschiffes "Lundoge" und unserer "Arendsee".

Über die Rettungsaktion verbreitete die damalige Presse am 8. August 1984 folgenden Bericht des Kapitäns des zur Hilfe geeilten Schlepp- und Rettungsschiffs "Neotrasimy" V. D. Durnjew. "...Als wir uns dem Schiff näherten, hatte es bereits zwei Lecks, deren Ausmaß mutete unwahrscheinlich an. Elf Quadratmeter maß das Leck im Bereich der Maschinenabteilung und zehn das andere zwischen dem zweiten und dritten Frachtraum. Ich beschloss, das in Not geratene Schiff ins Schlepp zu nehmen. Als es vertäut war bemerkten wir, dass das Schiff rasch zu sinken begann. Trotzdem gelang es uns, die "Arendsee" ins Schlepp zu nehmen. So konnten wir das in Not geratene Schiff auf eine Sandbank setzen. Jetzt befindet sich der Schiffsbug in 20 Meter Tiefe und das Heck sitzt auf der abschüssigen Seite der Sandbank. Damit das Frachtschiff nicht in noch tieferes Wasser abrutscht, stemmt sich die "Neotrasimy" mit ihrem Bug gegen das Schiff. Ohne Unterbrechung arbeiten seine Schiffsschrauben und halten so den Frachter fest."

Rettungsaktion machte Arendsee bekannt

Durnjew weiter: "...Bei der Untersuchung des versenkten Schiffes haben unsere Taucher im Heckteil noch eine Mine gefunden. Jeden Augenblick konnte eine weitere Explosion stattfinden. Man muss bedenken - die vielen Menschen, der Treibstoff und die Fracht, die sich hier befinden. Nur durch die aufopferungsvolle Arbeit aller Seeleute konnte eine weitere Tragödie verhindert werden. Wir entfernten die Mine von der "Arendsee", brachten sie ans Ufer, wo wir sie vernichteten. Die Arbeit wird Tag und Nacht nicht unterbrochen. Auf der "Arendsee" haben unsere Havariegruppen mit der Arbeit begonnen. Wir beginnen, die Kraftfahrzeuge und andere Güter auf die "Rudolf Diesel" aus der DDR umzuladen."

Es gelang sämtliche Güter zu retten, die MS "Arendsee" musste jedoch vor Luanda aufgegeben werden. Diese Rettungsaktion ging 1984 durch die Weltpresse und machte dadurch, wenn auch ungewollt, den Namen Arendsee überall bekannt.

Natürlich war der Anschlag sehr gut geeignet für eine politische Kampagne gegen Südafrika. Was nicht im "Neuen Deutschland" stand und keinem Arendseer gesagt wurde war, dass wahrscheinlich die "Solidaritätsgüter" nichts anderes als Waffen und militärische Ausrüstungen waren.

Die Stadtväter hielten auch nach dem Untergang des Schiffes, bis zur Wende, einen engen Kontakt zum Kapitän und seinen Mannschaftskameraden. So besuchte zum Beispiel eine Abordnung der Mannschaft Arendsee im September 1984 aus Anlass der Feierlichkeiten zur 800 Jahrfeiern der Stadt.