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Hilfsorganisation in Westafrika Ehemaliger Chefarzt: "Ja, ich hatte Angst vor Ebola"

Michael Kühn, ehemaliger Chefarzt der Urologie im Stendaler
Johanniter-Krankenhaus, arbeitete für drei Wochen als Arzt in
Westafrika. Nach seiner Rückkehr berichtet er über die katastrophalen
Zustände im Ebola-Gebiet.

Von Nadin Hänsch 30.09.2014, 03:15

Stendal l "Ja, ich hatte Angst", gestand Michael Kühn (65), der am 10. September für drei Wochen als Chirurg nach Ghana, Westafrika flog, um Menschen zu helfen. Seit einigen Monaten wütet dort in Teilen Westafrikas wie Guinea, Sierra Leone und Liberia eine Ebola-Epidemie, die bereits viele Opfer gefordert hat. Auch in Nigeria und dem Senegal wurden Fälle gemeldet. Von Februar bis Ende September wurden bereits 6547 Ebola-Fälle registriert, mehr als die Hälfte der Erkrankten ist gestorben.

Vergangene Woche kehrte der ehemalige Chefarzt der urologischen Klinik am Johanniter-Krankenhaus wohlauf zurück. "Ich hatte schon Respekt, jetzt nach Westafrika zu fahren", sagte Kühn, der die Berichterstattung in den Medien über die dortige Situation aufmerksam verfolgt.

"Das Gesundheitssystem in Ghana ist deutlich besser, als das in Sierra Leone, welches jetzt völlig zusammenbricht." Der Urologe spricht aus Erfahrung. Vor zwei Jahren arbeitete er für sieben Wochen als Chirurg in Sierra Leone, weil er trotz Ruhestand dort helfen will, wo es am nötigsten gebraucht wird. Seit 2009 hat er an unzähligen Einsätzen für Organisationen, wie "German Rotary Volunteer Doctors" (GRVD) oder "Ärzte für Afrika" im Ausland teilgenommen.

"Im November wollte ich für die Organisation "Ärzte für Afrika" noch einmal in diesem Jahr nach Ghana fliegen, doch der Einsatz wurde abgeblasen." Die Gefahr sei wegen der Ebola-Epidemie zu groß, beteuert der ehemalige Chefarzt.

Michael Kühn bekam während seines letzten Aufenthaltes in Ghana viel von den Umständen, die in Sierra Leone herrschen, mit. "Es ist eine absolute Katastrophe. Das Land ist vollkommen zusammengebrochen. Die Krankenschwestern gehen nicht mehr zur Arbeit, weil sie Angst haben sich anzustecken." Nur noch die staatlichen Krankenhäuser seien offen, die meisten privaten hätten ihren Betrieb schon eingestellt, berichtet der Arzt. "Märkte und Banken haben geschlossen und die Menschen hungern, weil sie sich nichts zu essen kaufen können."

Hinzu käme, dass Erkrankte Angst hätten, sich in ein Krankenhaus zu begeben, weil sie dort isoliert werden. "Der Bürgerkrieg ist noch nicht lange vorbei und die Menschen fürchten, dass man dort Experimente mit ihnen macht", versucht der engagierte Ruheständler zu verdeutlichen. Man muss verstehen, dass die Menschen dort keine Krankenversicherung haben und deshalb zuerst zu einem Heiler gehen." Das sei dort gang und gäbe und zum anderen auch viel billiger als ein Arztbesuch, so Kühne.

Erst wenn die Menschen totkrank seien, würden sie sich freiwillig in ein Krankenhaus begeben. "Es ist eine gruslige Situation und ich weiß auch nicht, wie es enden wird." Selbst für die westliche Welt schätzt Michael Kühn die Gefahr hoch ein. Auch wenn er, wie er beteuert, Urologe und kein Ebola-Experte ist, sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis in Deutschland Ebola-Erkrankte einreisen.

"Wir haben gute Strukturen, um mit so einer Seuche fertig zu werden", glaubt Kühn. Gefährlicher werde es, sobald sich die Epidemie nach Asien ausbreite, wenn Reisende ihre Angehörigen in Afrika besuchen. Von dort aus könne es sich in die ganze Welt verteilen.

Kühn hält die Maßnahmen an den Flughäfen, die Temperatur der Reisenden zu messen, für sinnlos. "Jeder der krank ist, Fieber hat und das Land unbedingt verlassen will, nimmt vorher eine Paracetamol und kommt ohne Probleme durch die Kontrollen", warnt der Arzt.