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Sparkassen-Skandal in Stendal Das Schweigen der Christdemokraten

Sprachlosigkeit und Entsetzen - aber auch Verschlossenheit: In der
Kreispolitik pendelte Montag angesichts der neuen Dimension im
Sparkassen-Skandal die Stimmung zwischen Aufklärung und Schweigen.

30.09.2014, 01:18

Stendal l Sieben konkrete Fragen der Volksstimme gingen gestern morgen bei Landrat Carsten Wulfänger ein. Seit wann er von der Problematik um die Kredite für den Kreistagsvorsitzenden Lothar Riedinger (CDU) gewusst hat, was er in dieser Frage inzwischen veranlasst habe und ob der Kreistagsvorsitzende sein Amt ruhen lassen sollte, gehörte ebenso zu den Fragen wie jene nach aktuellen Schlussfolgerungen und ob dieser "Freundschaftsdienst" ein Einzelfall sei oder es weitere Fälle gibt.

Der Landrat antwortete sechs Stunden später schriftlich "im Komplex" und in zwei Absätzen. Kernbotschaft: "Der Verwaltungsrat der Kreissparkasse Stendal hat und wird auch zukünftig mögliche Verfehlungen weiter aufklären." Und: "Die Bewertung dieser Verfehlungen liegt nunmehr in der Hand der Gerichte."

Für christdemokratische Verhältnisse war das am gestrigen Tag eine umfassende Antwort. CDU-Kreispartei- und -Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kühnel gab sich hingegen wortkarg. "Dazu sage ich nichts" und "kein Kommentar" - mehr war dem ansonsten durchaus redseligen Strippenzieher der Christdemokraten nicht zu entlocken.

Hellmuth antwortete auf Rückrufbitte nicht

Auf schriftliche Fragen "antwortete" er schließlich mit dem Hinweis auf seine Verschwiegenheitspflicht als Verwaltungsratsmitglied. Darauf berief sich auch Bundestagsabgeordneter Jörg Hellmuth (CDU) gegenüber Journalisten. Eine Rückrufbitte der Volksstimme ignorierte Hellmuth, unter dessen Verantwortung als Landrat und Verwaltungsratsvorsitzender die fragwürdigen Kredite geflossen waren. Lothar Riedinger selbst hat sich - ohne Mobiltelefon - in einem einwöchigen Urlaub verabschiedet.

Vertreter der anderen Fraktionen waren am gestrigen Morgen zunächst angesichts der neuen Dimension der Verfehlungen schockiert, fanden dann aber ihre Sprache wieder.

Die weitreichendsten Konsequenzen kündigte gestern SPD-Fraktionsvorsitzender Lars Schirmer an: Neben einer Prüfung sämtlicher Kredite an die Verwaltungsratsmitglieder in den vergangenen Jahren (siehe Titelseite) fordert er eine Sondersitzung des Kreis-, Vergabe- und Personalausschusses. Dort solle der Landrat "zu den neuen Vorwürfen Stellung nehmen und das bisherige sowie weitere Vorgehen erläutern".

Schirmer unterstrich zugleich, dass "nach den bisherigen Erkenntnissen die Mitarbeiter scheinbar völlig korrekt gearbeitet haben" - etwa mit dem Votum an den Kreditausschuss, einen Kredit abzulehnen (Volksstimme berichtete). Die Verfehlungen einzelner Funktionsträger dürften nicht den Mitarbeitern angelastet werden, betonte er.

Günter Rettig, Vorsitzender der Fraktion Linke/Grüne, forderte ebenfalls eine detaillierte Prüfung. Unbenommen dessen sollte Lothar Riedinger sämtliche politische Ämter niederlegen: "Das ist kein Schuldeingeständnis, sondern soll von allen Schaden abwenden, bis eine Klärung erfolgt ist."

"Es ist unhaltbar, was da in der Vergangenheit passiert ist", sagte ein empörter Landwirte/FDP-Fraktionschef Frank Wiese. Sollten die Vorwürfe sich bewahrheiten, sei Lothar Riedinger als Kreistagsvorsitzender und -mitglied nicht mehr zu halten, meinte auch er. Wiese fragt sich zudem, "was die Prüfer des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) denn geprüft haben, wenn ihnen bei diesen sensiblen Krediten nichts aufgefallen ist". Auch hierauf erwartet er Antworten.