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Die Romane von Heike Schroll sind mehr belehrend als unterhaltsam Fürchterliche Altmarkkrimis

Von Birgit Tyllack 14.10.2014, 01:13

Stendal l "Die Romane von Heike Schroll sind oft verliehen und müssen vorgemerkt werden." Brigitte Schnellhardt, Leiterin der Stadtbibliothek am Mönchskirchhof, hielt ihre Einleitung am Freitagabend betont kurz, denn die Berliner Autorin stellte sich selbst vor, unterstützt von einer kleinen Präsentation. Erst dann las sie aus ihrem neuen Kriminalroman "Nachtnelken".

Es ist der vierte Roman in der Reihe um Kriminalkommissarin Judith Brunner. Und wie die vorangegangenen Bücher "Blutbuchen", "Eisblumen" und "Giftweizen" handelt er in der Altmark. Der Bezug der Autorin zur Altmark ist leicht zu erklären: Heike Schroll wurde 1961 in Gardelegen geboren. Und offensichtlich fühlt sie sich trotz ihres frühzeitigen Fortzugs diesem Fleckchen Erde verbunden.

Wie sie zur Schriftstellerei kam, erklärte sie ebenfalls: Eigentlich ist sie von Haus aus Archivarin im Landesarchiv Berlin. Ein Beruf, in dem man viel erfährt über Brauchtümer, Legenden, Sagen und tatsächliche Ereignisse. Offensichtlich war irgendwann der Wunsch so groß, dieses Wissen zu verarbeiten, dass Schroll zu Papier und Stift, besser gesagt zur Computertastatur griff und Teile ihres Wissens in Romanen unterbrachte. "Meine Krimis haben immer einen heimatlichen und geschichtlichen Bezug." Außerdem bedient sich die Autorin beim Verfassen der Krimis stets der historischen Hilfswissenschaften, also der Wappenkunde, Schriftkunde, Münzkunde und ähnlichem.

Aus ihren Romanen kann man viel lernen. So auch aus dem Buch, das sie den Zuhörern in der Stadtbibliothek vorstellte. In "Nachtnelken" spielen Balkeninschriften, die man an vielen alten Gebäuden in der Altmark findet, eine große Rolle. Leider werden Informationen zu bestimmten Themen von Schroll sehr dozierend eingearbeitet. Ganze Absätze lesen sich wie ein Lehrbuch, nicht wie ein unterhaltsamer Roman. "Altmarkkrimis" - ja, es geht um hiesige Brauchtümer und Rezepte. Auch die Baustile werden minutiös in langatmigen Beschreibungen exakt wiedergegeben, aber irgendwie kommt man als Einheimischer nicht aus dem Stutzen heraus.

Da glaubt man, die Altmärker zu kennen! Doch: Kennt man die falschen? Oder die untypischen? Bei Schroll sprechen alle Charaktere ausschweifend. Kaum ein Satz ohne viele Nebensätze und komplexe grammatikalische Konstruktionen. Selbst Hilfskräfte in den Agrarbetrieben machen jedem Linguisten alle Ehre. Außerdem: Egal, wer im Buch spricht, stets erhalten die Leser genaue Erklärungen, warum wer was haben oder machen möchte. Kein Schritt der Protagonisten ohne komplette Innensicht. Zum Teil scheint es, als ob jeder Gedanke wiedergegeben wird - in epischer Breite.

Die Fälle, die in diesen Krimis behandelt werden, mögen interessant und spannend sein. Die Art, wie sie erzählt werden, verlangt ein gewisses Durchhaltevermögen. Wobei die unfreiwillige Komik dabei vielleicht hilfreich ist: siehe Sprechweise und auch die Tatsache, dass in jedem Satz der komplette Name der Heldin, "Judith Brunner", geschrieben steht - falls man ihn seit der letzten Erwähnung vergessen haben sollte...

Heike Schrolls Romane sind im Selbstverlag erschienen, was sich leider bemerkbar macht. Hier fehlt ein gutes Lektorat. Jemand, der beherzt den Korrekturstift ansetzt. Denn zu erzählen hat die Archivarin sicherlich etwas. Und "Altmarkkrimis" möchte man hier bestimmt auch gern lesen.

Fans hat Heike Schroll bereits. Einige von ihnen nutzten am Freitag die Gelegenheit, um Bücher signieren zu lassen.