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Dom und Marienkirche besonders stark betroffen: Kupfer-Dachrinnen gestohlen, Opferstöcke aufgebrochen Diebe machen vor Kirchen nicht halt

Von Melanie Mielke 10.12.2014, 02:11

Im Sommer wurden in mehreren Stendaler Kirchen Opferstöcke aufgebrochen. Aber auch die an sakralen Gebäuden angebrachten Fallrohre und Regenrinnen aus Kupfer sind immer öfter Beute von Dieben.

Stendal l Im Dezember 2013 wurde der neue Westflügel des Stendaler Doms eingeweiht. Doch die Freude über das Bauwerk war nicht von Dauer. Es sind Diebstähle von Regenrinnen aus Kupfer, die nicht nur Michael Kleemann, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Stendal, seinen Stellvertreter Peter Lippelt sowie Dorothee Westphal, Leiterin des Kreiskirchenamtes, ärgern. Kaum dass der Neubau eröffnet war, wurden auch schon die kupfernen Dachrinnen gestohlen. "Meist aus einer Höhe von 1,80 Meter bis zwei Meter. Wo man also bequem ohne Leiter rankommt", erklärt Michael Kleemann. "Die müssen dann durch Kunststoffrohre ersetzt werden, das sieht natürlich nicht schön aus."

Michael Kleemann spricht zudem von einem "hohen emotionalen Schaden". Immerhin werden Baumaßnahmen an Kirchengebäuden auch durch die Mitglieder der Gemeinde oder Spendengelder mitfinanziert. In einem Schreiben, das Mitglieder der Kirchengemeinde bezüglich der Erhebung ihres Gemeindebeitrages zugesandt bekamen, heißt es: "Mit diesem Gemeindebeitrag können auch die erheblichen Aufwendungen für den Ersatz der ständig entwendeten Fallrohre der Dachentwässerung an unseren Kirchen mitfinanziert werden." Kleemann: "Da viele Gebäude mit Hilfe von Fördervereinen saniert und renoviert werden, findet sich die Bürgerschaft darin auch wieder."

"Da war eine ganze Bande unterwegs. Die Täter wurden nicht ermittelt."

Dorothee Westphal, Leiterin des Kreiskirchenamtes

"Den Dieben fehlt einfach der Respekt vor Sakralgebäuden", sagt Kleemann. Dieser mangelnde Respekt zeigte sich auch im September, als in mehreren Kirchen in Stendal und Umgebung Opferstöcke aufgebrochen wurden und das darin enthaltene Geld gestohlen wurde. Kurz nach dem Tag des offenen Denkmals hatten Diebe besonders reiche Beute gemacht, als sie eine Spendenbüchse stahlen, die prall gefüllt war. "Das ist einfach ungünstig gelaufen. Es wurde vergessen, diese Büchse rechtzeitig zu leeren", sagt Kleemann. Die Diebstähle aus Opferstöcken ereigneten sich zudem alle in derselben Nacht. "Da war eine ganze Bande unterwegs", ist sich Dorothee Westphal sicher. Das Verfahren wurde allerdings eingestellt, da kein Täter ermittelt werden konnte - ein fast schon üblicher Werdegang. "Ab und zu kommt die Polizei Buntmetalldieben per Zufall auf die Spur", so Kleemann.

Die meisten Fallrohre aus Kirchen haben aufgrund denkmalschutzrechtlicher Bestimmungen besondere Maße, die am Dom beispielsweise sind viereckig. "Aber wenn die aufgeschnitten, geglättet und dann zerkleinert werden, erkennt man seinen ursprünglichen Zweck auch nicht mehr", weiß Peter Lippelt, stellvertretender Superintendent.

Auch an der Marienkirche wurden provisorisch Kupfer- durch Plastikrohre ersetzt. "Anders geht es nicht, sonst würden wir jede Woche neue Rohre anbringen müssen", sagt Joachim Kähler, Gemeindepfarrer in St. Marien. "Natürlich ist es nicht mit dem Denkmalschutz vereinbar, aber was sollen wir denn sonst machen?" Es wäre wesentlich schlechter für den Gebäudezustand, wenn das Wasser die Hauswand hinunterliefe. Kähler ist allerdings auch bewusst, dass Kupferdiebstahl kein Problem allein der Kirche ist. "Es ist ja nicht nur an der Marien- oder der Petrikirche zu Diebstählen gekommen, auch am Rathaus. Eigentlich überall, wo Regenrinnen und Fallrohre aus Kupfer an den Gebäuden sind."

Auch innerhalb der Kirche gab es Fälle von Sachbeschädigung. In der Nacht zum 7. August dieses Jahres hatten Unbekannte eine alte Truhe aufgebrochen. Die Täter hatten Geld darin vermutet und die Truhe dabei schwer beschädigt.

"In Bayern würde sich niemand an Kircheneigentum vergreifen."

Michael Kleemann, Superintendent

Daraus ergibt sich auch schon die Antwort auf die oft gestellte Frage, warum denn die Türen der Kirchen innerhalb der Stadt und der Umgebung verschlossen sind. "Wir würden die Kirchen gerne für Besucher offen lassen, aber da wird uns ja immer wieder ein Strich durch die Rechnung gemacht", bedauert Michael Kleemann. Kähler pflichtet ihm bei: "Ich kann doch von unseren Kirchenwächtern nicht verlangen, stundenlang in der Kirche auszuharren." Der Superintendent nennt ein Positivbeispiel aus dem Süden Deutschlands: "Man kann ja von den Bayern halten, was man will, aber da käme niemand auf die Idee, die Kirche abzuschließen. Andererseits würde sich da auch niemand an Kircheneigentum vergreifen."

Im Landkreis Stendal gab im Jahr 2014 zehn besonders schwere Fälle von Diebstählen auf Kirchen und Friedhöfen, darunter fünf Fälle innerhalb der Stadt Stendal. Außerdem gab es acht kleinere Diebstähle. Als besonders schwerer Diebstahl gilt nach Strafgesetzbuch, wenn sich die Diebe mit Hilfe von Werkzeugen Zutritt zu einem Objekt verschaffen. "Diese Zahlen erscheinen im Vergleich zu anderen Straftaten erstmal gering, gleichwohl ist es natürlich ärgerlich für die Leute, die ehrenamtlich ihre Zeit für die Kirche aufwenden", sagt Polizeisprecher Marco Neiß.

Wie hoch der entstandene Schaden ist, vermag Michael Kleemann nicht zu sagen. "Wir führen keine Statistik, und im Haushaltsplan sind Diebstähle nicht aufgeführt, auch nicht vorbeugend." Gerade wenn die Polizei nichts herausfinden kann, ist es besonders ärgerlich, finden die Gemeindevertreter. "Es macht die Anzeige zwar nicht direkt sinnlos, aber es ist nicht schön, wenn man von vornherein das Gefühl hat, dass sich kein Erfolg einstellt", sagt Dorothee Westphal.