Bildungsträger im Landkreis Stendal bereiten sich auf starke Zunahme von Flüchtlingskindern vor Reise ins Ungewisse

31.12.2014, 01:09

"Nichts Genaues weiß man nicht", könnte das Motto lauten, unter dem sich der Landkreis Stendal 2015 auf die steigende Zahl der Asylsuchenden vorbereitet. Aktuelle Zahlen basieren auf Schätzungen, Vergleichskonzepte, nach denen gearbeitet werden kann, gibt es keine. Auch die Kinderbetreuung ist pro-blematisch.

Stendal l Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: Die Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber wird ausgebaut - zumindest der Teil des alten Plattenbaus, der bis dato leer stand und unbewohnbar war. Hier sollen künftig weitere Flüchtlinge untergebracht werden können. Und auch in der Stadt selbst soll es mehr Wohnraum für Asylbewerber geben. Sogar elf neue Stellen soll es geben, vorrangig im Gesundheitsamt, dem Ordnungsamt und der Kreisverwaltung.

Das alles ist nur ein kleiner Teil der Vorbereitungen auf das, was 2015 auf den Landkreis Stendal zukommen wird: Bis zu 600 Asylbewerber werden bis Dezember 2015 in Stendal erwartet. Sebastian Stoll, Zweiter Beigeordneter des Landkreises, sagt dazu: "Ich rechne eher mit mehr. Mehr als 600 Menschen, die in Stendal Zuflucht und Hilfe suchen. Zugewiesen werden sie von der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (ZAST) in Halberstadt. Und es sind meist Familien, die in den Landkreis Stendal verwiesen werden. Momentan leben knapp 500 Asylbewerber in der Gemeinschaftsunterkunft. 235 von ihnen sind Kinder und Jugendliche. Knapp 150 von ihnen sind schulpflichtig. Bisher werden sie in hiesigen Schulen betreut, in Förderklassen unterrichtet, und in ihrer Freizeit durch Angebote freier Träger unterstützt. Was aber, wenn die Zahlen 2015 auf etwa das Doppelte steigen? Sind die Bildungsträger im Landkreis Stendal auf die wachsende Anzahl der Kinder vorbereitet? Mit wie vielen Kindern ist denn überhaupt zu rechnen im Landkreis Stendal? "Ehrlich gesagt: Wir wissen es nicht, wir können nur schätzen und manchmal nicht mal das", sagt Stoll. Das Problem sei, erklärt er weiter, dass man nie wisse, welche Personengruppen durch die ZAST Halberstadt dem Landkreis zugeschrieben werden. "Mal kommen Einzelpersonen, meist Männer, die bringen ja keine Kinder mit. Aber, wie gesagt, es kommen meist Familien zu uns. Manche haben zwei, manche drei oder vier Kinder. Aber wir wissen das eben erst dann, wenn sie bei uns vor Ort sind."

Bis Ende 2015 rechnet er mit knapp 200 Kindern, die zusätzlich in der Gemeinschaftsunterkunft untergebracht, beziehungsweise in den kommunalen Einrichtungen betreut werden müssen. Das ist ein Problem, denn dieser Platz ist eigentlich nicht vorhanden. Schulen und Kitas sind gut ausgelastet. Schon aus räumlichen Gründen ist dieser Platz nicht da. "Allein für den Kita-Bereich würde diese Zahl ausreichen, um zwei neue Einrichtungen zu eröffnen", sagt Stoll. Das ist aber nur Theorie. "Es wird keine Kita nur für Kinder von Asylbewerbern geben." Kinder im nichtschulpflichtigen Alter können von ihren Eltern betreut werden. Und die anderen? "Wir werden sie auf die Schulen verteilen müssen", prognostiziert Stoll. Einige Schulen, wie die Komarow-Sekundarschule, die Grundschule am Stadtsee und die Juri-Gagarin-Schule hätten bereits besondere Förderkonzepte und Schwerpunktklassen für Kinder mit Migrationshintergrund. Hier gebe es noch einige Kapazitäten. Sind diese erschöpft, geht es ans Verteilen, so spröde es auch klingt.

"Es ist für uns eine völlig neue Situation", erklärt dazu Björn Malycha, Integrationsbeauftragter des Landkreises Stendal. "Wir müssen uns darauf einstellen und vor allem nachhaltig arbeiten", erklärt er. "Dazu müssen wir mit zuverlässigen Partnern zusammenarbeiten, die bestehenden Integrationsangebote des DRK, der Hochschule und auch der Jugendclubs nutzen. Unter diesen Partnern muss ein ständiger Austausch stattfinden, sonst klappt es nicht."

Ein fertiges Konzept, wie der Landkreis mit den Folgen der Asylbewerberflut im Landkreis Stendal umgehen will, kann Sebastian Stoll noch nicht vorlegen. "Wir haben keine Zahlen, wir wissen nicht wirklich, was auf uns zukommt und wir können uns nicht mal an anderen Landkreisen orientieren, weil es für alle neu ist. Wir müssen auf alle Eventualitäten vorbereitet sein."