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Urteil: Freispruch auf der ganzen Linie für 32-Jährigen Prozess um Raub eines Einkaufkorbs

24.01.2015, 01:09

Von Wolfgang Biermann

Stendal l Das Amtsgericht Stendal hat unlängst in einem skurril anmutenden Prozess einen Mann aus einem Ort im Kreis Stendal vom Vorwurf des Raubes eines Einkaufskorbes in einem Supermarkt seines Wohnortes freigesprochen.

Der 32-Jährige war angeklagt, nach dem Einkauf mit dem Ladendetektiv um den Korb gerangelt zu haben, weil er das Behältnis beim Verlassen der Kassenzone nicht habe herausgeben wollen. Rechtlich gesehen wäre das ein räuberischer Diebstahl, der laut Strafgesetzbuch einem Raub im Strafmaß gleichgestellt ist. Mindeststrafe im Regelfall: ein Jahr Gefängnis. Wegen des zu erwartenden Strafmaßes war auch das Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Petra Ludwig für die Sache zuständig.

Jedoch stellte sich der Sachverhalt gänzlich anders dar, so dass es zu einem "Freispruch auf ganzer Linie" kam, wie es im Urteil hieß. Wobei die Rekonstruktion des angeblichen Raubes am 23. Mai vorigen Jahres nicht so einfach war. So hatte der Angeklagte angegeben, dass er an jenem Tag gar nicht in dem Markt gewesen sei, sondern seine Mutter im Krankenhaus in Magdeburg besucht hätte.

Vorladung der Polizei ignoriert

Es gab wohl Aufzeichnungen der Überwachungskamera im Markt, die waren aber nicht ergiebig, wie die Prozessbeteiligten übereinstimmend feststellten, weil der vermeintliche Räuber darauf nicht eindeutig zu erkennen war. Hinzu kam, dass der Ladendetektiv, ein ehemaliger Kaufmann im Rentenalter, den Angeklagten weder auf einem Polizeifoto erkannt, noch im Gerichtssaal als Täter identifiziert hatte.

Den Ausschlag gab dann aber die Aussage des Detektivs selbst. Demnach sei er von einer Kassiererin alarmiert worden, weil der Kunde einen, dem Markt gehörenden Einkaufskorb nicht zurückgeben wolle.

Doch bei dem Korb habe es sich gar nicht um einen Behältnis dieses Marktes gehandelt, sondern um einen Korb, wie er in Stendal oder Tangermünde von der selben Handelsgruppe verwendet werde, räumte der Ladendetektiv ein. Auch sei der Kunde mit diesem Korb schon in den Markt gekommen. Das hätte die Überwachungskamera so festgehalten.

"Haben Sie die Kassiererin überhaupt gefragt, ob es sich um Eigentum des Marktes handelt?", wollte Richterin Petra Ludwig vom Detektiv wissen. "Nein, ich dachte das war klar", lautete die Antwort. Der Mann könne den Korb doch - von wem auch immer - geschenkt bekommen oder gekauft haben, stellte die Richterin Ludwig fest.

Und so beantragte die Staatsanwaltschaft Freispruch. Eigentlich hätte es gar nicht erst zum Prozess kommen müssen, wenn der Angeklagte im Zuge der Ermittlungen eine Aussage gemacht hätte. Doch die Vorladung zur Vernehmung im Polizeirevier hatte er ignoriert.