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Gaststätte in Stendal Die "Gute Quelle" ist nicht mehr

Die Gaststätte "Zur Guten Quelle" gehörte zu den traditionsreichsten Lokalitäten der Stadt. Vor zwei Wochen endete ihre Geschichte endgültig mit dem Abriss des Gebäudes in der Bruchstraße 10. Die Volksstimme blickt zurück auf eine bewegte Vergangenheit.

Von Antonius Wollmann 01.02.2015, 14:04

Stendal. In der Geschichte der Stendaler Gasthäuser nimmt die "Gute Quelle" einen besonderen Platz ein. Kaum eine andere Gaststätte überdauerte die Zeiten so lange wie die "Gute Quelle". 1872 im Kaiserreich gegründet, existierte sie während der Weimarer Republik, überstand das Dritte Reich und wurde auch in der DDR als HO-Gaststätte weiter betrieben. Die Wende überlebte das Haus zunächst unbeschadet.

"Die lange Lebensdauer ist wirklich etwas Außergewöhnliches. Es gibt nur wenige andere Lokalitäten in der Stadt, die auf eine ähnlich bewegte Geschichte zurückblicken können", sagt Detlef Koch, der sich zusammen mit Gustav Steinecke für das Buch "In den Gasthäusern Alt-Stendals" intensiv mit der Historie der Stendaler Gastronomie beschäftigt hat.

Ein Treffpunkt der "kleinen Leute"

Die "Gute Quelle" wäre dabei in all den Jahren ein Treffpunkt für die "kleinen Leute" gewesen. "Die alten Speisekarten deuten darauf hin, dass vor allem der Normalverbraucher das Haus aufgesucht hat. Die Preise waren erschwinglich, die Speisen bodenständig", so Koch. Eine Karte aus den 1870er Jahren verzeichnet Schweins-und Rinderbraten und Butterbrot. Als Getränke wurden Kaffee, Glühwein, Mineralwasser und Bier angeboten.

Auch benahmen sich die Gäste auffallend zivilisiert. "In den Polizeiakten sind so gut wie keine Vorfälle notiert. In anderen Lokalen ging es da durchaus lebhafter zu", sagt Detlef Koch. Charakteristisch für die "Gute Quelle" ist außerdem, dass die Besitzer nur selten wechselten. Meist blieb sie über mehrere Generationen in Familienbesitz. Im Jahre 1872 hatte Christian Bock die Gastwirtschaft unter dem allseits bekannten Namen eröffnet. Nach seinem Tod übernahm seine Frau den Betrieb, bis 1874 Friedrich Riep das Lokal erwarb.

Friedrich Riep war für eine zwischenzeitliche Umbenennung verantwortlich. 1882 benannte er die Gaststätte dem patriotischen Zeitgeist folgend in "Zum deutschen Kaiser" um.

1924 kaufte Emil Borchert das Gasthaus. Vier Jahre später gab er ihm seinen ursprünglichen Namen zurück. Borchert prägte das Lokal wie kein anderer Besitzer. Über mehrere Jahrzehnte schwang er das Zepter. Das spiegelte sich im Volksmund wieder. "Die Gaststätte war in Stendal auch einfach nur unter dem Namen "Borchert" bekannt. Da wusste jeder, was gemeint war", berichtet Gustav Steinecke.

Zu DDR-Zeiten ein Ort für zahlreiche Betriebsfeiern

Ende Fünfziger Jahre warer als Mitarbeiter der Hansa-Brauerei hin und wieder zu Gast. "Wir haben dort unsere Brigade-Feiern gemacht. Viele andere Betriebe haben dort ebenfalls gefeiert", erinnert sich Steinecke. Wann Emil Borchert starb, ist nicht bekannt. Sein Tod hatte auf das Schicksal der "Guten Quelle" jedoch offenbar keinen Einfluss. Bis zum Ende der DDR lief der Betrieb weiter.

Um einen Schnellimbiss erweitert, setzte sich die Geschichte nach der Wiedervereinigung fort. Vor allem Vereine nutzten nun die Räumlichkeiten für Versammlungen. Der Stendaler Skatverein "Lustige Buben" war regelmäßig vor Ort. "Wir haben von 1995 bis etwa 2006 unsere Runden und Turniere dort gespielt. Die Kneipe war sehr gemütlich, das Personal sehr freundlich", sagt Siegfried Seifarth von den "Lustigen Buben".

Das Ende der Gaststätte liegt im Dunkeln

Seit den frühen Neunziger Jahren war die "Gute Quelle" der Treffpunkt für den Bund der Vertriebenen. Deren Kreisvorsitzender Hartwig von Bach erinnert sich: "Der damalige Inhaber Herr Schwarz war selbst Schlesier und hatte deshalb ein offenes Ohr für uns. Er stellte uns einen Raum für unsere Veranstaltungen gratis zur Verfügung. Fünf bis sechs Mal im Jahr haben wir in der "Quelle" getagt."

Wann und unter welchen Umständen die Gaststätte schließlich schließen musste, ist unbekannt. Nach dem Tod ihres Mannes führte seine Frau Silvia Schwarz die Geschäfte weiter. Offensichtlich lohnte sich der Betrieb nicht mehr. In den Jahren zwischen 2006 und 2008 schloss die "Gute Quelle" still und leise ihre Türen. Nach Angaben mehrerer ehemaliger Gäste zog es die letzte Inhaberin in die Schweiz. Das Grundstück wurde im September 2013 zwangsversteigert. Am 13. Januar 2015 rückten die Bagger zum Abriss der Gaststätte "Zur Guten Quelle" an.