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Samuel Ney erlebte den Anschlag in Paris fast hautnah mit "Man wusste ja nicht, was noch passieren wird"

03.02.2015, 01:26

Der Franzose Samuel Ney arbeitet derzeit in Stendal. Beim Terroranschlag auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" in Paris allerdings war er auf "Heimatbesuch".

Paris/Stendal l Als am 7. Januar zwei Terroristen in den Redaktionsräumen des Satiremagazins "Charlie Hebdo" elf Mitarbeiter erschießen, ist Samuel Ney zu Besuch bei einem Freund im weit entfernten Lille. Was sich in Paris, abspielt, bekommt er zunächst gar nicht mit. Erst als seine Mutter anruft, schaltet Samuel die Nachrichten ein - und kann nicht glauben, was er sieht und hört.

Samuel Ney, der momentan seinen Freiwilligendienst am Winckelmann-Gymnasium in Stendal leistet, kommt aus Survilliers, einer 4000-Einwohner-Stadt, knapp 20 Kilometer nordöstlich von Paris. Das Attentat geschieht quasi vor seiner Haustür. Der 19-Jährige ist geschockt: "Ich habe gar nicht verstanden, was da passiert", sagt er. "Sowas kennt man ja sonst nur aus dem Irak oder Afghanistan. Aber hier bei uns in Frankreich? Das hätte ich nicht für möglich gehalten."

Samuel Ney wirkt aufgewühlt, als er davon erzählt. Als die zwei Attentäter in Dammartin, einem Stadtteil von Paris, sich mit ihren Geiseln verschanzen, ist der Terror nur noch zehn Kilometer von seinem Zuhause entfernt, so viel wie ein Langstreckenlauf. Im fernen Lille denkt er an Familie und Freunde. "Da hatte ich Angst", sagt er heute. "Man wusste ja nicht, was noch passieren wird."

Auch Wochen später und wieder zurück in Stendal ist für Samuel Ney das Thema aktueller denn je, denn hier wollen die Menschen natürlich wissen, was er erlebt und wie er sich gefühlt hat. "Angst vor dem Terror habe ich nicht mehr", sagt er. "Aber in Frankreich haben noch viele Menschen Angst. Dieser Schock sitzt tief, das dauert noch, bis die Menschen das verarbeitet haben. Wenn sie es überhaupt jemals können."

Im Moment befindet sich Frankreich in einer Phase der Analyse: Wie konnte das passieren? Hätten wir das verhindern können und was können wir tun, damit so etwas nicht noch einmal passiert? Fragen, die sich auch Samuel Ney stellt, aber nicht wirklich beantworten kann.

Dafür weiß er aber, "dass wir für die Meinungs- und Pressefreiheit kämpfen müssen. Aber man muss auch achtsam damit umgehen. Menschen mit Satire zum Lachen bringen, ist okay, es sollte aber nicht beleidigend sein. Klar, der Islam hat seine Schwächen, aber welche Religion hat das nicht?"