1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. In Dreierreihe bis zum Neumarkt

Währungsunion In Dreierreihe bis zum Neumarkt

Vor der Währungsumstellung lange Arbeitstage mit Überstunden, ab dem 1. Juli 1990 dann lange Schlangen bis hinaus auf die Straße - Mitarbeiterinnen der Sparkasse und der Volksbank können sich noch gut an jene Wochen vor 25 Jahren erinnern.

Von Donald Lyko 01.07.2015, 03:08

Stendal l Sonderschichten waren im Juni und Juli 1990 bei der Stendaler Kreissparkasse an der Tagesordnung. "Da ging es schon mal bis 22 oder 22.30 Uhr. Wir haben gearbeitet, bis alles fertig war. Das war für uns eine aufregende Zeit", erinnert sich Ilona Gramenz. Vor dem 1. Juli wurde die Einführung der D-Mark vorbereitet, denn ab dem 11.Juni konnten Anträge auf Kontoumstellungen gestellt werden und wurden Auszahlungsquittungen ausgegeben - mit denen konnten vom 1.bis 6. Juli begrenzt D-Mark abgeholt werden, um für die ersten Tage Bargeld zu haben.

Vor und während der Ausgabe der D-Mark und beim Einziehen der DDR-Mark - es musste viel gezählt werden. "Und wenn nur eine Mark gefehlt hat, dann wurde der Geldsack wieder geöffnet und alles noch einmal gezählt", berichtet Antje Neumann. "Und damals hatten wir noch keine Geldzählmaschinen, es wurde per Hand gezählt", fügt ihre Kollegin Simone Neiss hinzu. Stichwort Säcke: Die mussten noch extra genäht werden und wurden dann vor dem Abtransport von den Beschäftigten zugenäht. "Da hatten wir auch körperlich gut zu tun", sagt Marina Mahlke - und mit der neuen Währung wurde es im wahrsten Sinne des Wortes nicht leichter: "Das neue Hartgeld war schwerer."

Und, war das Zählen der größeren Scheine eine Umstellung? Nein, sagen die Frauen. Aber Ja sagen sie auf die Frage, ob das Westgeld denn einen anderen Geruch hatte. Jede Note habe einen anderen Geruch, vermutlich wegen der Chemie der Farbe.

An den Tag der Währungsumstellung können sich alle noch gut erinnern. Es war ein Sonntag - und es wurde extra geöffnet. "Die Leute standen in Dreierreihe bis zum Neumarkt", sagt Marina Mahlke. Der Neumarkt war damals noch nicht bebaut. Die Leute hätten zwei, zweieinhalb Stunden gewartet, "aber sie waren ganz geduldig und brav, damals haben sich ja alle gefreut. Da hat keiner auf die Uhr geschaut", berichtet Antje Neumann.

"Ein Kunde kam sogar mit einem großen Porzellanschwein" - Marina Mahlke, Sparkasse Stendal

An den Schaltern und sogar im Rittersaal wurden die Kunden bedient. Nicht nur Geld wurde ausgezahlt, viel wichtiger waren Kontoeröffnungen. "Die wenigsten Kunden hatten damals ein Konto, der Geldumtausch war aber nur über ein Konto möglich", erklärt Simone Neiss. "Ein Kunde kam sogar mit einem großen Porzellanschwein. Das haben wir dann hier zerschlagen, damit er das Geld einzahlen konnte", erinnert sich Marina Mahlke.

Die Nachfrage nach der D-Mark war so groß, dass am Montagmittag, am 2. Juli, das Geld alle war - es musste Nachschub von der Staatsbank geholt werden. "Aber die meisten wollten nur einen Kontoauszug, um zu sehen, ob die Umstellung geklappt hat", sagt Ilona Gramenz. Einige Kunden hatten schon vor der Umstellung größere Beträge abgehoben - um einzukaufen oder um es Bekannten/Verwandten mit weniger Vermögen zu geben, um sich gegen eine Provision den 1:1-Kurs zu sichern, den es für 4000 DDR-Mark für Erwachsene, 2000 DDR-Mark für Kinder und 6000 DDR-Mark für die über 60-Jährigen gab. Der Rest wurde dann 1:2 getauscht.

An die arbeitsreichen und aufregenden Wochen im Sommer 1990 erinnert sich Magrit Amtenbrink von der Volksbank Stendal, die damals Genossenschaftskasse hieß, noch sehr gut. Auch im Birkenhagen standen die Kunden Schlange. Ruhig habe jeder gewartet. Wenn sie über die "netten Kunden" spricht, denkt sie zum Beispiel an Konditormeister Wilhelm Müller. Der hat den Mitarbeitern, weil sie am Sonntag geöffnet hatten, eine Torte gebracht. Damit es reibungslos läuft, "haben wir Mitarbeiter hart gearbeitet, haben Überstunden gemacht, bis spät in die Abende hinein", sagt Magrit Amtenbrink. Das meiste sei "hinter den Kulissen gelaufen". Unterstützung hatte die Genossenschaftsbank von der Wolfsburger Volksbank.