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Orte der Erinnerung und Sehnsucht: Ehepaar aus dem Rheinland besucht mit der Bahn 60 besondere Plätze – auch Stendal ist dabei Eine Rundreise durch die Vergangenheit

Von Egmar Gebert 11.03.2011, 05:29

13 000 Kilometer haben Marlis Jonas und Joachim Krüger in Zügen zurückgelegt. Sie besuchen Orte, mit denen sie Sehnsüchte oder Erinnerungen verbinden. Doch nicht nur ihre eigenen. Das Paar hat sich auch von Erlebnissen anderer Menschen inspirieren lassen. Insgesamt 60 Orte stehen auf ihrem Reiseplan.

Stendal. Mittagszeit. Der Gastraum im Stendaler Atrium beginnt sich zu füllen. Ein Platz am Fester im hinteren Teil – das Licht der Märzsonne flutet über das weiße Tischtuch – hat es Marlis Jonas angetan. Die Koffer sind gerade erst auf dem Hotelzimmer. Ein wenig ausruhen, den Moment genießen, danach steht der Fotografin aus Ludwigshafen und ihrem Ehemann Joachim Krüger jetzt der Sinn.

Die 13. Etappe einer Reise durch ganz Deutschland hat die beiden hierher geführt. Kein Zufall. Stendal ist der Geburtsort der Mutter von Marlis Jonas. Sie ging in jungen Jahren nach Dortmund, der Liebe wegen. Und so erblickte Marlis 1948 in Dortmund das Licht der Welt. Stendal, das war der Ort, wo Marlis gern ihre Großmutter besuchte, wo heute noch ihr Onkel lebt. Zu dessen 85. Geburstag wird Marlis Jonas ihn an diesem Wochenende gratulieren.

Vergilbte Fotos auf dem Tisch. Dokumente der Erinnerung. "Ich war sehr oft in Stendal. Zwanzig oder dreißig Mal? Ich weiß es nicht mehr so genau. Da, das bin ich", weist sie auf ein kleines Mädchen mit schulterlangem Haar in einer Kindergruppe. Vor dem Haus der Oma in Stendal wurde sie abgelichtet.

Doch sind es nicht nur die eigenen Erinnerungen, auf deren Spuren das Ehepaar aus dem Rheinland seit dem 10. Oktober 2010 wandelt, es noch bis zum 9. Oktober dieses Jahres tun wird. Die Idee zu dieser "Reise an Orte der Erinnerung und Sehnsucht" wurde 2008 geboren, damals noch unter dem Arbeitstitel "Spurensuche in Deutschland". Joachim Krüger war beruflich viel mit der Bahn unterwegs. Seine Frau als Kunsterzieherin ortsgebunden, aber auch bekennender Bahnfan.

Nach ihrem Ausscheiden aus dem Beruf – aus diesem besser gesagt, denn ab jetzt machte sie ihr Hobby Fotografie zur Profession – war der Weg frei, diese Idee zu verwirklichen. Ein Projekt wurde daraus, eines mit künstlerischen Ambitionen. Das Paar bat Freunde und Bekannte, Marlis zu deren Geburtstag mit Ideen zu beschenken. Wo in Deutschland sind ihre Orte der Erinnerung, der Sehnsucht, die zu Stationen auf der Reise von Marlis Jonas und Joachim Krüger werden könnten?

Diese Orte wiederfinden, nachempfinden, mit den Menschen, an die sich Erinnerungen und Sehnsüchte der Ideengeber knüpfen, in Kontakt kommen, sich auf Wegabschnitte und Orte einlassen, Begegnung und auch Nähe zu bislang Unbekanntem zulassen. All das sollte die Zeitreise mit der Bahn werden.

All das ist sie Anfang März, am Ende ihres ersten Drittels, geworden. "13 000 Bahnkilometer sind zurückgelegt, in denen wir 170 Züge benutzten und 25 Stationen besucht haben. 60 sollen es am Ende der Reise sein. Wir liegen also ganz gut im Plan", sagt Joachim Krüger. Er führt Buch, schreibt die Texte für die Internetseite, auf der das Paar über sein Projekt berichtet, während Marlis Jonas die Bilder beisteuert. Das heißt, einen kleinen Teil der schon jetzt nach Hunderten zählenden Fotoausbeute."Wir kommen an Orte, die wir sonst nie gesehen hätten. Nie hätte ich gedacht, dass wir so viel lebendige deutsch-deutsche Geschichte erleben", schwärmt Marlis Jonas. Da war zum Beispiel die Begegnung mit einem alten Mann, dem nicht mehr bewusst war, dass er in den Erinnerungen einer der Ideengeberinnen für diese Reise immer noch eine so große Rolle spielt.

Nachdem Marlis Jonas und Joachim Krüger ihn besuchten, knüpfte er wieder Kontakt zu den Menschen, in deren Namen die beiden ihn aufgespürt hatten. Und da ist die kleine Schule im thüringischen Marlishausen. Diese Stadtion steuerte das Paar am Geburtstag von Marlis Jonas an, der Namensgleichheit wegen. "Die Kinder der Schule haben sich aufgestellt und mir ein Ständchen gebracht. Ich war so überrascht. Heute bin ich Mitglied im Förderverein der Grundschule Marlishausen."

Die Fotografin hofft auf noch viele solcher Begenungen in diesem bewegten Jahr ihres Lebens. Und danach? Aus der Reise des Paares soll eine Ausstellung werden und ein Buch. "Darüber wird sicher noch einmal ein Jahr vergehen. Und dann werden wir sehen.

Ins ganz normale Leben werden wir sicher nicht zurückkehren und auf diese oder jene Art in Bewegung bleiben", ist Marlis Jonas überzeugt. Das dieser neue Wegabschnitt sie dann und wann auch wieder nach Stendal führen wird, scheint sicher.

www.bahn-zeit-reise.de