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Wildunfälle : Landesweite Kampagne macht auf Problem aufmerksam / Interview mit Verkehrssicherheitsberater Fuß vom Gas – was anderes hilft nicht

28.01.2010, 04:53

Ein Plakat mit zwei Hirschen darauf. Beide stehen mitten auf der Fahrbahn, erhellt nur durch einen Lichtkegel. Unmissverständlich ist die Bildaussage auch ohne die über diese Szene gestellte Frage " Könnten Sie jetzt noch bremsen ?". Warum solche Plakate im Landkreis Stendal an den Straßenrand gestellt wurden, darüber sprach Volksstimme-Redakteur Egmar Gebert mit Polizeikommissar Fred Mücke, Verkehrssicherheitsberater im Stendaler Polizeirevier.

Volksstimme. Dem Fahrer des Fahrzeugs, der die auf dem Plakat ins Bild gesetzte Szene erleben würde, bliebe mit Sicherheit keine Zeit mehr zum Bremsen. Das beeindruckt schon mehr als das normale " Wildwechsel-Schild " am Straßenrand.

Polizeikommissar Fred Mücke : Das soll es auch. Wir erhoffen uns von der Kampagne, für die diese Plakate stehen, einen Aha-Effekt bei den Kraftfahrern, der da lautet : Fuß vom Gas und Augen auf. Hier könnte mir Wild vors Fahrzeug springen.

Volksstimme : Das kann den Kraftfahrern aber nicht nur auf der B 188 zwischen Miltern und der Elbbrücke und auf der B 107 zwischen Havelberg und Sandau passieren. Warum also stehen nur dort diese Plakate ?

Mücke : Sie sind Bestandteil einer landesweiten gemeinsamen Aktion von Innen- und Verkehrsministerium, für die die 13 wildunfallträchtigsten Straßenabschnitte im Land ausgewählt wurden. Zwei dieser Schwerpunkte in Sachsen-Anhalt sind eben diese beiden im Landkreis Stendal, an denen sich pro Jahr im Durchschnitt 16 beziehungsweise 18 Wildunfälle ereignen. Ich glaube auch nicht, dass es sinnvoll wäre, an jede Straße, auf der es zu Wildunfällen kommt, so ein Plakat zu stellen. Das wäre zu viel des Guten.

Volksstimme : Mag sein, aber Strecken, auf denen sich Wildunfälle in den vergangenen Jahren häuften, gibt es doch weit mehr als diese beiden, oder ?

Mücke : Unbestritten ist das so. Und an diesen wildunfallträchtigen Strecken sind entsprechende Warnschilder aufgestellt.

Volksstimme : Wo sind aus der Sicht des Stendaler Polizeireviers denn nun die besonders gefährlichen Stellen ?

Mücke : Zum einen sind das natürlich die beiden oben genannten Streckenabschnitte, an denen die großformatigen Plakate stehen. Besondere Vorsicht ist darüber hinaus auf der B 190 zwischen der B 189 und der Kreisgrenze zu Salzwedel, auf der B 107 zwischen Hohengöhren und Klietz, auf der B 189 zwischen Krumke und Drüsedau und zwischen der L 16 und Borstel sowie auf der L 53 zwischen der Abfahrt der B 189 und Schernebeck geboten.

Volksstimme : Vorsicht – wie soll die aussehen ?

Mücke : Wie ich schon sagte : Fuß vom Gas. Wenn 100 km / h erlaubt sind und mich ein Warnschild darauf aufmerksam macht, dass auf diesem Streckenabschnitt mit über die Straße wechselndem Wild zu rechnen ist, muss ich ja nicht unbedingt die Hundert fahren. Mit geringerer Geschwindigkeit kommt man auch ganz gut voran und nur unwesentlich später ans Ziel. Je langsamer ich fahre, je mehr Zeit bleibt mir zum Reagieren. Wobei gerade das bei plötzlich auf die Straße springendem Wild kaum mehr möglich ist. Denn das geschieht leider meist bei Dunkelheit oder gerade jetzt jahreszeitlich bedingt bei schlechten Lichtverhältnissen.

Da geht es um Bruchteile von Sekunden, in denen der Kraftfahrer richtig reagieren muss.

Volksstimme : Wie reagiere ich richtig ?

Mücke : Grundverkehrt wäre es zu versuchen, dem Wild auszuweichen. Kommt es dann zum Unfall, sind die Folgen meist schlimmer als bei einem Zusammenstoß mit dem Wild.

Volksstimme : Also draufhalten ?

Mücke : Sagen wir es mal so : Wenn das Wild auftaucht, bremsen. Wenn sich der Crash trotzdem nicht mehr vermeiden lässt, sollte man das Lenkrad gut festhalten. Spätestens jetzt wird es sich auszahlen, wenn man nicht allzu schnell unterwegs war. Je geringer die Geschwindigkeit, desto glimpflicher die Unfallfolgen.

Volksstimme : Wie das ?

Mücke : Bei einem Zusammenstoß mit 50 km / h entspricht das Aufprallgewicht eines Körpers dem 25-fachen seines Eigengewichts. So ein Reh wiegt im Schnitt 17 Kilo. Bei 50 km / h sind das dann 425 Kilo, bei 70 km / h schon 850 Kilo.

Noch beeindruckender wird das, wenn man von einem Zusammenstoß mit einem Wildschwein ausgeht. So ein Keiler hat schon mal 80 Kilo. Und der wird dann beim Zusammenstoß mit Tempo 50 so schwer wie ein Nashorn, nämlich zwei Tonnen. Bei Tempo 70 ist es dann so, als würden sich zwei Nashörner aufs Auto setzen.

Volksstimme : Und was mache ich, wenn es passiert ist ?

Mücke : Wagen an den Straßenrand fahren, wenn das noch möglich ist, Warnblinkanlage an, Warndreieck aufstellen. Das sollten die ersten Handgriffe sein. Dann muss unverzüglich die Polizei oder auch der zuständige Jäger oder Förster informiert werden.