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Ehrenamtliche unterstützen 1300 Menschen in Stendal, Tangermünde, Tangerhütte und Osterburg Stendaler Tafel wird vier

Von Martin Rieß 01.10.2009, 06:58

Heute wird die Stendaler Tafel vier Jahre alt. Am 1. Oktober 2005 hatte die Einrichtung mit ihrer Ausgabestelle in der Fußgängerzone an der Stendaler Adolph-Menzel-Straße 10 zum ersten Mal geöffnet. Damals kamen 70 Bedürftige, heute holen 200 Menschen aus Stendal und Umgebung regelmäßig Spenden ab.

Stendal. Bärbel Kohl sitzt an einer Tischreihe, die in dem hell erleuchteten Laden in der Einkaufszeile hinter dem Stendaler Altmarkforum aufgestellt ist. An der Seite kleben Aufkleber, auf denen steht " VEB KKW Stendal ". Die Regale an der Wand sind einfach, aber stabil. Auf eine behagliche Einkaufsatmosphäre kommt es an dieser Stelle der Ladenzeile nicht an. Hier hat die " Stendaler Tafel " ihren Sitz. Auf einem Tisch stehen zwei Kisten mit saftig-grünen Birnen, die ein Kleingärtner vorbeigebracht hat, an einer Wand stapeln sich Saftflaschen.

Und Bärbel Kohl konzentriert sich auf ihr unsichtbares Gegenüber, mit dem sie telefoniert. " Ja, Margarine, Kaffeesahne und Butter können wir gerade gut gebrauchen ... Ja, am Freitag brauchen wir die Sachen, weil wir am Morgen ja gleich ganz früh anfangen. " Am anderen Ende der Leitung sitzt Birgit Apel vom Edeka am Nordwall. Sie unterstützt ebenso wie eine ganze Reihe anderer Unternehmer – vom Bauern über den Bäckermeister über die Lebensmittelfabrik und den Großhandelsmarkt bis hin zu Discountern, Drogerie- und Lebensmittelmärkten – die Arbeit der Mitstreiter der Stendaler Tafel. Und auch Privatleute helfen : Kleingärtner beispielsweise mit ihren Birnen, und auch das IBB mit Gartenerzeugnissen.

Knapp die Hälfte der heutigen 40 Helfer ist von Anfang an dabei, einige der Mitarbeiter helfen auch in Tangerhütte, Tangermünde und Osterburg mit : Denn auch dort verteilt die Tafel Lebensmittel an Bedürftige ( siehe Infokasten ). Die Arbeit der Stendaler Tafel, die übrigens unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbands arbeitet, ist vor allem ehrenamtliche Logistik. Einmal in der Woche werden in Stendal die Lebensmitteltüten zum Preis von einem Euro pro Erwachsenem und 50 Cent pro Kind ausgegeben, alle drei Wochen in den anderen Städten. Bärbel Kohl : " Unser Ziel ist es nicht, dem Handel Kundschaft wegzunehmen. Vielmehr sollen diejenigen, die sonst ihr gesamtes Geld für den täglichen Bedarf aufwenden müssen sich auch außer der Reihe einmal einen Eisbecher oder einen Kinobesuch leisten können. " Insgesamt werden von der Stendaler Tafel so 1300 Menschen – darunter 350 Kinder - unterstützt. Denn viele derjenigen, die jeden Sonnabend oder Dienstag Schlange stehen, müssen noch ihre Kinder mitversorgen. " Klar, wir spüren auch die Entwicklung, die Krise ", erklärt die Initiatorin der Tafel. Zwar sind die Preise inzwischen stabil – doch auf einem höheren Niveau als noch vor Jahren. Und so sind es von Jahr zu Jahr mehr Menschen geworden, die zur Tafel kommen. Familien mit Kindern, Einheimische, Zugezogene, Rentner, Menschen die mit einem Berg von Schulden kaum noch klarkommen. Und auf der anderen Seite die Sponsoren : Manch ein Unternehmen, das vor Jahren noch mitgeholfen hat, kann sich das inzwischen nicht mehr leisten – oder hat gar die Produktion ganz eingestellt.

Doch die Stendaler Tafel ist längst eine feste Größe in der Region. Soziale Aufgaben werden hier erledigt, die ansonsten unerledigt blieben. " Und als es vor vier Jahren losging, war das genau die richtige Zeit ", erinnert sich Bärbel Kohl. Bedürftige gab es schon lange, und auch die Helfer und Sponsoren schienen darauf gewartet zu haben, dass jemand die Initiative ergreift. " Auf jeden Fall hatte ich Respekt vor dem, was zu organisieren und zu erledigen ist ", erinnert sich die ehemalige Krankenschwester. Inzwischen hat sie aber Routine bei der Tafelarbeit – und eben jene 40 Mitstreiter, die mit anpacken.

Vor allem geht es bei der Tafelidee darum, die Menschen zu versorgen. Bärbel Kohl : " Wir haben hier alle Hände voll zu tun, die Lebensmittel bei unseren Sponsoren abzuholen, sie so in Tüten zu verteilen, dass alles alle wird und alles gerecht verteilt ist. " Zehn Helfer sind dann in der Stendaler Ausgabestelle beispielsweise damit beschäftigt, die Tüten zu verteilen, die Münzen zu kassieren, die Räume wieder herzurichten. Zeit für einen Plausch gibt es da nicht. Die Motivation für diese Arbeit ? " Es ist ein schönes Gefühl, wenn wir Freude der Tafelgäste miterleben können ", erklärt die Tafelinitiatorin.

Vier Jahre Stendaler Tafel – ein wenig Grund zum Feiern ist das trotz aller Probleme, die die Bedürftigen im Alltag haben, allemal. Daher lädt die Tafel kommenden Montag die Gäste zum Frühstück ein. In zwei Durchgängen ist um 7. 45 und 9. 45 Uhr die Tafel gedeckt. Mit dieser Aktion wollen die Aktiven übrigens auch an den Deutschen Tafeltag erinnern : Der fällt in diesem Jahr auf den 3. Oktober.