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22 Grüne Damen leisten ehrenamtliche Arbeit im Johanniter-Krankenhaus / Verstärkung gesucht Sie schenken Patienten etwas sehr Kostbares: Zeit

Von Judith Kadow 21.10.2009, 04:55

22 Grüne Damen – ehrenamtliche Helferinnen, die Gutes tun wollen – besuchen im Johanniter-Krankenhaus regelmäßig Patienten, sind deren Gesprächspartner, holen Zeitungen, erledigen kleine Wege im Krankenhaus. Sie schenken ihnen etwas sehr Kostbares : Zeit. Und : Sie suchen dringend Verstärkung.

Stendal. In Amerika heißen sie " pink ladies ", in Deutschland sind sie die Grünen Damen : Jene ehrenamtlichen Helfer, die ein paar Stunden in der Woche Gutes tun, indem sie Patienten im Krankenhaus zur Hand gehen, kleine Besorgungen machen oder einfach nur zuhören. Eine dieser Grünen Damen ist Helga Marx, 64, Rentnerin. Jeden Montag besucht sie für drei bis vier Stunden die Station 3 des Johanniter-Krankenhauses in Stendal – die Unfallchirurgie.

" Viele sind froh,

jemanden zum

Reden zu haben "

" Wir Grünen Damen gehen dann von Zimmer zu Zimmer, von Bett zu Bett ", erzählt Marx. Sie stellt sich den Patienten vor, erkundigt sich nach dem Befinden. " Natürlich kommt es auch vor, dass jemand nicht mit mir reden will. Das ist in Ordnung. Niemand wird gezwungen. " Ist Interesse vorhanden, beginnt Helga Marx ein nettes Gespräch, holt eine Zeitschrift wenn gewünscht, geht ein wenig zur Hand.

Mit dem Eintritt in die Rente suchte Helga Marx nach einer neuen Aufgabe in ihrem Leben. " Erst wollte ich im Hospiz helfen. Bin dann aber zu den Grünen Damen gegangen ", erinnert sie sich. Sechsmal begleitete sie immer eine andere gestandene Grüne Dame bei deren Rundgang. Besuchte stets eine andere Station, fand für sich heraus, wie viel sie sich im Umgang mit den Patienten zutraut. Das war vor zwei Jahren.

" Einige stellen fest, dass sie mit diesen Schicksalen nicht umgehen können und hören auf ", sagt Elisabeth Breuer, Einsatzleiterin der Grünen Damen in Stendal. Für jene, die die Herausforderung, eine Grüne Dame zu sein, annehmen, besteht die freie Wahl, welche Station sie zukünftig betreuen möchten.

Helga Marx ‘ Station beschreibt Elisabeth Breuer als positiv. " Viele können sie irgendwann wieder verlassen ", erzählt Helga Marx. Elisabeth Breuer hingegen betreut die Onkologie. " Oftmals kenne ich den Namen des Patienten gar nicht, mit dem ich rede ", sagt Breuer. Dies sei auch nicht so wichtig. " Viele, vor allem ältere Patienten, sind einfach froh, jemanden zum Reden zu haben. " Etliche Senioren erzählen von ihren Kriegserlebnisse. Das habe sie bis heute nicht losgelassen. " Das Krankenhaus hat auch noch diesen großen Einzugsradius ", fügt Marx hinzu. Angehörige könnten deshalb manchmal nicht täglich zu Besuch kommen. " Dann sind wir willkommene Gesprächspartner. "

Es sind unterschiedliche Geschichten, die die Grünen Damen hören. So unterschiedlich, wie die Menschen, die sie erzählen. Sie sind da, bei den Patienten, spenden Trost, muntern auf, hören zu. " Aber wir übernehmen keine pflegerischen Aufgaben ", betont Breuer. Die Grünen Damen sind die leisen, unauffälligen Helfer der Patienten – sie holen neue Telefonkarten, Literatur oder Kleidung vom Krankenhaus-Kiosk.

" Man muss das

Erlebte hinter

sich lassen "

Doch wie verarbeiten sie diese Erfahrungen, die Geschichten über Leid, Hoffnungslosigkeit und manchmal auch schwindenden Lebensmut ? " Es hört sich seltsam an, aber man muss es sich angewöhnen, das Erlebte hinter sich zu lassen, sobald man den Kittel auszieht ", rät Breuer. Zudem organisiert die Pflegedirektorin des Klinikums, Beate Wogawa, in regelmäßigen Abständen Kaffeerunden für die Grünen Damen, bei denen gelegentlich auch Klinikmitarbeiter einen Einblick in Pflege und Medizin geben. " Wir sind ja alle medizinische Laien ", betont Breuer. Auch die Seelsorger des Krankenhauses seien ab und zu bei diesen Treffen zugegen – reden über den Tod und die Begleitung währenddessen.

Und mitunter bauen nicht die Grünen Damen die Patienten auf, sondern beide Seiten sich gegenseitig. So geht es ab und an auch Angelika Hörnke, Grüne Dame seit drei Jahren. Sie ist auf der Kardiologie zu finden, ebenfalls jeden Montag. " Mein Sohn war ein Grüner Herr ", erzählt sie. Nach der Pensionierung suchte auch sie eine Aufgabe. Am liebsten eine Arbeit mit Menschen. " Aber die Arbeit mit Gesunden und die mit Kranken ist ein Unterschied. " Viele würden reden wollen. " Wobei Männer meiner Erfahrung nach offener sind für Gespräche als Frauen. "

" Momentan sind wir 22 Grüne Damen in Stendal ", sagt Elisabeth Breuer. Das seien viel zu wenige für dieses große Haus.

Interessierte Mitmenschen, die die Arbeit der Grünen Damen und Herren unterstützen wollen, können sich in der Pflegedirektion des Johanniter Krankenhauses bei Beate Wogawa melden. Sie ist unter Tel. ( 0 39 31 ) 66 19 00 oder per EMail bwogawa @ jksdl. de erreichbar.

• In Deutschland gibt es 11 000 Grüne Damen und Herren, organisiert unter dem Dach der evangelischen und ökumenischen Krankenhaushilfe ( EKH ) mit Sitz in Bonn.

• Die EKH ist das Lebenswerk von Brigitte Schröder, Ehefrau des früheren Bundesverteidigungsministers Dr. Gerhard Schröder.

• Die Idee dieser Art der Fürsorge entstand in den USA. Dort werden die Damen " pink ladies " genannt.

• Die Gespräche erfolgen anonym und unterliegen der Schweigepflicht.

• Der Namen Grüne Damen und Herren kommt daher, da die Ehrenamtlichen an ihren grünen Kitteln zu erkennen sind.