1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Die ländliche Abgeschiedenheit hat Vor- und Nachteile

Hausbesuch bei Beate und Jörg Drafehn aus Hohenberg-Krusemark Die ländliche Abgeschiedenheit hat Vor- und Nachteile

Von Diana Kokot 03.08.2009, 05:02

Krusemark. " Es ist schon ein besonderes Gefühl, so völlig draußen in der Natur zu leben ", sagt Beate Drafehn und denkt dabei unwillkürlich an die Vogelstimmen und das Rauschen der Bäume, das sie am Morgen weckt. Durch das geöffnete Fenster dringt der Duft der nahen Wiesen und Felder. " Bei Vollmond kann man ganz weit in die Landschaft hinausblicken. Das beeindruckt mich immer wieder ", erzählt Jörg Drafehn. Nur im Winter, so meinen beide, sei es etwas einsam in ihrem Pfarrhaus am Rande des Dorfes.

Umzug nicht bereut

Dennoch haben es Beate und Jörg Drafehn noch nicht bereut, aus Sachsen und Thüringen ins altmärkische Krusemark gekommen zu sein. Beate trat ihren Dienst als Pastorin im Jahr 2003 an und wohnte anfangs in Goldbeck. " Kirche und Wohnung lagen mitten im Ort, so wie man es eben kennt ", erzählt sie schmunzelnd und berichtet davon, dass sie schnell und problemlos " so wie eine neue Nachbarin " in die dörf iche Gemeinschaft aufgenommen wurde.

Nachdem das Pfarrhaus in Krusemark saniert war, zog die Seelsorgerin mit ihrer Familie hier ein. Sohn Ulrich ( 4 ) und Töchterchen Marianne ( 2 ) fühlen sich sehr wohl im Grünen und ebenso bei ihren Freunden in der Kindereinrichtung.

Die Krusemarker Kirche und das Wohnhaus daneben stehen, was in ländlicher Region eher selten ist, am Rande des Ortes. " Eigentlich stimmt ja die bekannte Redewendung, dass die Kirche ins Dorf gehört und nicht unbedingt an die Peripherie ", meint Beate Drafehn schmunzelnd und fügt hinzu : " Doch der Grundgedanke beim Bau des Krusemarker Gotteshauses war damals, nicht in jedem Ort eine Kirche zu errichten, sondern eine an zentraler Stelle zu bauen, die von den umliegenden Orten aus für alle gut erreichbar ist.

Beate ( 36 ) und Jörg Drafehn ( 38 ) kümmern sich gemeinsam um die Kirchenmitglieder von elf Dörfern im Umkreis. " Auto und Telefon sind unsere wichtigsten technischen Helfer, damit wir immer in Kontakt mit den Menschen bleiben ", sagt die Pastorin und weiß genau, wovon sie spricht, denn die täglichen Wege übers Land sind weit und zeitraubend. Etwa 600 Kilometer fährt das Ehepaar im Monat. Und das nicht nur, um ihre Gottesdienste in den Dorfkirchen abzuhalten sondern vor allem um die alltägliche Gemeindearbeit zu erledigen. Dazu gehören Gratulationen zu Geburtstagen und besonderen Jubiläen, Hausbesuche bei Kranken, Treffen mit Gemeindekirchenräten sowie Veranstaltungen mit Kindern und Jugendlichen.

Diese Arbeit nahe bei den Menschen und mit deren Problemen ist den beiden außerordentlich wichtig. Viele unterschiedliche Eindrücke, Gespräche und Bilder, außerdem noch die eigenen Gedanken über das Gesehene und Gehörte fießen in ihren Tagesablauf ein. Drafehns schätzen die direkte Art der Altmärker, ihre Bodenständigkeit und Gastfreundschaft.

" In diesem Landstrich sieht man Tag für Tag, wie eng Mensch und Natur noch miteinander verbunden sind. Ein Umweltbewusstsein, das in anderen Gegenden, die stärker von Industrialisierung geprägt sind, leider oft schon verloren gegangen ist. Die Landwirte, die wir in unserem Pfarrbereich kennen, haben noch eine ganz ursprüngliche Beziehung zu ihrem Grund und Boden. Das zeigt sich auch an der Art und Weise, wie sie ihn seit Generationen bestellen und nutzen. Man spürt ihr Verantwortungsgefühl für das, was wir Christen Gottes Schöpfungen nennen. Das beeindruckt uns immer wieder ", fassen Beate und Jörg Drafehn ihre Erfahrungen in Worte.

Friedlicher Widerstand

Und weil auch sie beide ihre Verantwortung für die Schöpfung, also auch für die unberührte und noch intakte Natur, nicht leichtfertig aus der Hand geben wollen, engagieren sie sich seit Monaten in der Bürgerinitiative gegen den geplanten Bau eines Kohlekraftwerks in unmittelbarer Nachbarschaft. Sie informieren sich und andere, organisieren entsprechende Gesprächsrunden, klären dort über die Gefahren und möglichen Auswirkungen beim Betreiben eines Kraftwerkes für die Umwelt auf. Außerdem ist das Pfarrhaus Anlaufpunkt für alle, die rote Holzkreuze als Symbol des friedlichen Widerstands vor ihren Grundstücken aufstellen wollen. Dass die Anzahl dieser Protestkreuze stetig zunimmt, bemerkt jeder, der regelmäßig durch die Orte in der Nähe von Krusemark und Arneburg fährt.

Beate Drafehn, die in der Nähe eines Kraftwerks aufgewachsen ist, kennt die " Begleiterscheinungen ". Sie erinnert sich gut daran, dass ihre Mutter, bevor sie Wäsche auf die Leine hängen konnte, erst prüfen musste, woher der Wind kommt. " Und wenn ich als Kind im Sommer mit kurzen Hosen über die Wiesen gerannt bin, dann kam ich mit schwarzen Streifen an den Beinen nach Hause, denn das Gras war immer rußig. Solch wunderbare Alleen, wie in der Altmark, gibt es dort kaum noch. Dabei ist es doch so wichtig, all das zu erhalten – besonders, weil wir ja auch den Elberadweg direkt vor der Haustür haben und die Altmark auf touristische Perspektiven setzt ", betont die Pastorin. Sie berichtet auch davon, wie aufmerksam bereits die eigenen Kinder diese Entwicklung verfolgen. Ihr kleiner Sohn Ulrich weiß, dass ein Kohlekraftwerk Wolken ausstößt. Immer wieder fragt er seine Eltern besorgt, ob denn die " Wolkenfabrik " gebaut wird.

Doch nicht nur die Zukunft ihrer eigenen Kinder liegt Beate und Jörg am Herzen, sondern auch die von Kindern und Jugendlichen in ihren Kirchengemeinden. Mit besonderen Veranstaltungen, wie den Martinsumzügen, die Drafehns wieder ins Leben gerufen haben, bei den alljährlichen Krippenspielen oder durch den jüngsten Auftritt von " Zirkus Knopf " sollen junge Menschen angesprochen und einbezogen werden. " Nicht nur junge Leute, die christlichen Glaubens sind. Wir wenden uns an alle, die Interesse haben. Wir machen uns für die Gemeinschaft stark, unterstützen die Weihnachtsfeiern in den Kindereinrichtungen ebenso wie spezielle Höhepunkte der Vereinsarbeit ", erklärt Jörg Drafehn und berichtet über eine " Altmärkische Jugendnacht ".

Offen sein für Neues

Die wird derzeit mit Jugendmitarbeitern des Kirchenkreises vorbereitet und soll im August stattf nden. " Damit probieren wir etwas aus, was wir in dieser Form noch nie gemacht haben. Ich bin gespannt, ob alles gelingt und wie die Resonanz ist ", ergänzt Beate Drafehn. Die Vorfreude auf das Ereignis ist ihr und ihrem Mann deutlich anzumerken. Nach dem Erfolgsrezept ihrer gemeinsamen beruf ichen Arbeit befragt, muss das Pastorenpaar nicht lange überlegen : " Bewahrenswertes erhalten, offen sein für Neues, den Mut aufbringen, auch mal unbekannte Wege zu gehen, Widerstände zu überwinden – und all das gemeinsam mit den Menschen und für sie. "