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Stendaler Schreibaby-Ambulanz ist erst die zweite in ganz Sachsen-Anhalt Wenn Wickeln, Trösten und Füttern nicht weiterhilft

Von Judith Kadow 29.04.2009, 05:06

Die Windeln sind frisch, der Hunger gestillt, das Bäuerchen gemacht – doch das Baby hört nicht auf zu schreien. In Stendal gibt es seit einer Woche Hilfe für Eltern, die ein Schreibaby haben : Die Schreibaby-Ambulanz, initiiert von der Fachhochschule Stendal.

Stendal. Was tun, wenn das Baby nicht aufhört zu schreien ? Wickeln, trösten und füttern bringt nichts, der Nachwuchs ist nicht zu beruhigen. Schreibabys sind eine echte Nervenbelastung, für Eltern und Kind.

" Wir arbeiten hier grundsätzlich mit den Kindern und Eltern zusammen ", erklärt Psychologe Gerd Poeschke, der jeweils dienstags Sprechstunde in der Stendaler Schreibaby-Ambulanz hat. " Das Schreien resultiert aus einem Ungleichgewicht im Nervensystem. " Durch Massagen und andere Entspannungstechniken werden Kind und Eltern entspannt und beruhigt. " Je früher die Arbeit mit Schreibabys beginnt, desto besser ", betont Poeschke. Über 50 Prozent aller Schreibabys seien im späteren Lebensalter hyperaktiv. " Mitunter wird dies dann chronisch. "

Dass der Berliner Psychologe nun einmal in der Woche nach Stendal reist, ist Professor Raimund Geene von der Fachhochschule Stendal zu verdanken. Auf Anregung Poeschkes stellte Geene das Projekt " Schreibaby-Ambulanz " seinen Studenten vor. " Von der Konzeption bis zur Umsetzung haben wir ein halbes Jahr gebraucht ", erinnert sich Stephanie Siegert, eine der acht Studentinnen der Angewandten Kindheitswissenschaften, die sich dessen annahmen. Zu Beginn hätten die jungen Frauen Arbeitsgruppen gebildet. " Eine suchte einen Raum für die Ambulanz, andere beschäftigten sich mit den Finanzen, Werbung und der Suche nach Kooperationspartnern. " Den passenden Raum fanden die Studentinnen in der Heilpädagogischen Praxis von Katja Neuling, die im Gebäude 9 der Kinder- und Frauenklinik liegt. Die Suche nach Partnern, die die Finanzierung mittragen, gestaltete sich wesentlich schwieriger. Gespräche mit Krankenkassen, Jugendamt, Wohlfahrtsverbänden und dem Kinderschutzbund blieben, fi - nanziell gesehen, großteils erfolglos, aber : " Das DRK hat beispielsweise unsere Flyer, die wir selbst gestaltet haben, gedruckt. " Das Jugendamt habe den entscheidenden Tipp gegeben, Mittel beim Familienministerium zu beantragen, fügt Anika Lindecke hinzu. Der Antrag läuft derzeit noch. " Eigentlich haben sich viele Gesprächspartner irgendwie eingebracht ", fasst Doreen Gase zusammen. Immerhin können die Studentinnen mittlerweile rund 20 Kooperationspartner vorweisen, darunter auch Hebammen und Therapeuten.

" Unser Ziel ist es, die Ambulanz langfristig zu etablieren ", erzählt Stephanie Siegert. Das Interesse in der Bevölkerung scheint groß zu sein. In den drei Tagen, die die Ambulanz nun existiert, haben sich bereits drei Mütter gemeldet. " Wer Hilfe braucht, ruft in der Praxis an und macht einen Termin ", erklärt Siegert das Prozedere. Dabei haben die Eltern einen Eigenanteil an den Kosten zu tragen. Schüler, Studenten und Sozialleistungsempfänger bezahlen zehn Euro pro Sitzung, Eltern mit Einkommen 20 Euro. Durchschnittlich seien 15 Sitzungen pro Kind geplant. Bei manchen würden jedoch nur fünf, bei anderen sogar 20 Sitzungen notwendig sein.

Mittlerweile sind von den acht Studentinnen, die das Projekt starteten, noch drei übrig geblieben. Neu dabei sind Veronika Hahn und Jessica Wiegmann. Jessica weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, ein Schreibaby großzuziehen. " Mein Sohn Phil war bis zum fünften Monat ein Schreikind. " Sie habe es allein geschafft, die Situation zu meistern. Heute ist der achteinhalb Monate alte Phil ein ruhiger Zeitgenosse. " Aber ich wäre für jede Hilfe dankbar gewesen ", sagt die junge Mutter. Nicht zuletzt aus diesem Grund, engagiert sie sich nun für das Projekt, von dem sie so viel wie möglich lernen will. Damit ist bereits der erste " Generationswechsel " unter den Studenten erfolgt. Stephanie, Anika und Doreen werden bald ihr Studium beenden und sind bereits jetzt bemüht, Nachfolger zu finden. Stephanie Siegert : " Darauf legen wir großen Wert, dass wir, die Studenten, die Schreibaby-Ambulanz so lange wie möglich begleiten. "

Die Sprechstunde für Kinder bis zu drei Jahren findet dienstags von 12 bis 16 Uhr statt. Anmeldungen sind unter Tel. ( 0 39 31 ) 53 19 40 möglich.