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Heftige Debatte um neue Kostenbeitragssatzung für Kindergärten, Krippen und Horte Eltern fühlen sich ungerecht behandelt

Als ungerecht haben Elternvertreter die neuen Beiträge für
Kindertagesstätten und Horte kritisiert. Die Wernigeröder
Stadtverwaltung will die Gebühren zum 1. Januar 2014 ändern. Im
Sozialausschuss ist darüber heftig diskutiert worden.

Von Ivonne Sielaff 29.11.2013, 02:09

Wernigerode. Wer sein Kind zehn Stunden oder länger in einer Tagesstätte betreuen lässt, greift künftig tiefer in die Tasche. Nach dem neuen Kinderförderungsgesetz musste die Wernigeröder Stadtverwaltung die Elternbeiträge neu berechnen. Diese wurden für unterschiedliche Betreuungsbedarfe und Altersgruppen ermittelt.

Zwar seien die Ausgaben für einen Platz in Krippe, Kindergarten und Hort gestiegen, die Stadtverwaltung wolle die Eltern aber weiter mit nur 20 Prozent der Gesamtkosten beteiligen. "Damit liegen wir deutlich niedriger als andere Gemeinden in der Region", sagte Sozialamtsleiterin Petra Fietz im jüngsten Sozialausschuss. Eltern, die ihr Kind nur halbtags in eine Einrichtung bringen, würden sogar sparen. "Zudem werden Mehrkindfamilien entlastet", so Fietz.

Dennoch wurde das Thema in der Ausschusssitzung, zu der auch Elternvertreter eingeladen waren, kontrovers diskutiert. Während viele Mütter und Väter die neuen Gebühren befürworten, werden sie von anderen komplett abgelehnt. "Die meisten kritisieren sie als ungerecht", sagte Katrin Wienecke, die für die Eltern des Nöschenröder "Hummelhauses" sprach. "Berufstätige, die darauf angewiesen sind, ihr Kind zehn Stunden oder länger betreuen zu lassen, werden stärker zur Kasse gebeten", so die Mutter. "Dagegen werden die Plätze für Kinder aus Hartz-IV-Familien komplett finanziert."

"Viele gehen arbeiten und haben wenig Geld."
Tina Graubach, Elternvertreterin

In der Kindertagesstätte "Pusteblume" im Stadtfeld seien 80 Prozent der Eltern gegen die neuen Gebühren, berichtete Tina Graubach. "Viele sind alleinerziehend, gehen arbeiten, verdienen nicht viel." Einige Mütter und Väter müssten nun die Betreuungsstunden ihrer Kinder herunterstufen, weil ihr Geld nicht reiche. "Sie fühlen sich ungerecht behandelt", so Tina Graubach.

Nur weil man sein Kind zehn Stunden betreuen lässt, habe man nicht automatisch mehr Geld, hieß es von den Eltern der Kindertagesstätte "Musikus". Zwar würde die neue Gebührensatzung Mehrkindfamilien entlasten, gleichzeitig würden aber Einkindfamilien benachteiligt. Die "Musikus"-Eltern forderten, dass Hartz-IV-Familien lediglich ein Halbtagsplatz bezahlt wird. "Den Rest sollen sie selbst übernehmen."

Den Ganztagsanspruch für alle Kinder - unabhängig vom Einkommen der Eltern - lege das neue Gesetz fest, erklärte Sozialdezernent Andreas Heinrich. "Das liegt nicht auf unserem Tisch. Als "schwieriges Unterfangen" bezeichnete Sabine Wetzel (Grüne) die anstehende Entscheidung. "Wir sehen die Ungerechtigkeiten", so die Ausschusschefin. "Aber wir müssen die Gebühren ändern. Das verlangt das Gesetz von uns." Allerdings befürworte sie den Ganztagsanspruch. So werde allen Mädchen und Jungen ermöglicht, eine Einrichtung zu besuchen. "Bei einigen Kindern halte ich es für sinnvoll, sie länger betreuen zu lassen." In der Tagesstätte würden sie die Erziehung erhalten, die ihnen zuhause fehle.

"Wir müssen die Nöte der Eltern ernst nehmen."
Julia Brandt, SPD-Stadträtin

"Ich könnte platzen bei dem Thema", meldete sich nochmals Tina Graubach zu Wort. Es sei Aufgabe der Eltern, ihre Kinder zu erziehen, und nicht die der Betreuer. "Warum setzen sie sonst Kinder in die Welt?" Manche Eltern könnten diese Verantwortung nicht wahrnehmen, entgegnete Sabine Wetzel. "Die Leidtragenden sind die Kinder." Das sah Christian Härtel (Linke) ähnlich. "Besonders Kinder aus sozialschwachen Familien sind auf frühkindliche Bildung angewiesen." Er sei froh, dass es der Stadt gelungen sei, die Eltern weiter nur mit 20 Prozent der Kosten zu belasten. Voraussetzung dafür sei ein ausgeglichener Stadthaushalt. "Sobald dieser in Schieflage gerät, sind wir nämlich gezwungen, die Beiträge zu erhöhen", so Härtel. Julia Brandt (SPD) regte an, dass Wernigerode als kinderfreundliche Stadt auch die Nöte der Eltern ernst nehme. "Es sollte im Gesetz festgeschrieben werden, dass zum Beispiel Alleinerziehende entlastet werden. Wir als Kommune müssen der Landesregierung signalisieren, dass es Regelungsbedarf gibt."

Die Mitglieder des Sozialausschusses votierten anschließend einstimmig für die neue Gebührensatzung. Der Stadtrat entscheidet am 5.Dezember.