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Irrfahrt auf dem Brocken Porsche-Fahrer muss 2500 Euro fürs Abschleppen zahlen

Kein Heiratsantrag und keine spontane Spritztour: Der Porsche-Fahrer
wollte schlichtweg im Brockenhotel übernachten - das sagt der 61-jährige
Unternehmer nun selbst über seine vorweihnachtliche Unglücksfahrt, die
für ihn am Abhang endete.

Von Julia Bruns 07.01.2014, 02:10

Wernigerode/Schierke. "Sie haben Ihr Ziel erreicht", tönt es aus dem Navigationsgerät des nagelneuen Porsche Cayenne. Dieser Satz - er muss für Steffen W. wie die pure Ironie geklungen haben. Denn hinter dem 61-jährigen Brandenburger liegt an jenem 23. Dezember eine - nach seinen Worten - abenteuerliche Suche nach dem Eingang zum Hotel des Brockenwirtes. Sie endet für den Mann aus Schwedt nicht an der Zieladresse, sondern 150 Meter weiter im schneebedeckten Graben.

Was war geschehen? Darüber rätseln seit dem Volksstimme-Bericht über die spektakuläre Irrfahrt auf dem Brocken zahlreiche Menschen. Der Journalist Michael Dietrich aus dem Land Brandenburg hat nun mit Porsche-Fahrer Steffen W. in dessen Heimatstadt Schwedt über den verhängnisvollen Abend gesprochen - und sich seine Version der Geschehnisse erzählen lassen. W. stellt dabei klar: Kein besonders ausgefallener Heiratsantrag und keine spontane Spritztour sind der Grund für seinen Abstecher auf den Brocken gewesen. Er erklärt stattdessen, dass er für jenen Abend ein Zimmer im Brockenhotel gebucht habe. Pikanterweise bestätigt Brocken-Hotelier Daniel Steinhoff diesen Fakt nicht.

Mit dem Porsche wollte der Gast seine Unterkunft aufsuchen. "Steffen W. sagte mir gegenüber, er habe vom Hotelpersonal keine Information erhalten, dass die Fahrt zum höchsten Gipfel Norddeutschlands auch Hotelgästen streng untersagt ist", berichtet Michael Dietrich nach dem Gespräch gegenüber der Volksstimme. Ein Verbotsschild an der Straße, die von Schierke aus zum Brocken führt, will W. nicht gesehen haben.

Als W. die Brockenstraße hinauffährt, tobt bereits ein Schneesturm auf dem Berg. Oben angekommen, sucht der Unternehmer zunächst den Eingang zum Hotel.

"So sicher wie in einem Cayenne sitzt man in keinem anderen Auto - aber irgendwann muss man raus."
Steffen W., Porsche-Fahrer

Er verliert bei Windböen von mehr als 130 Kilometer pro Stunde eigenen Angaben zufolge die Orientierung, resigniert bei seiner Suche und kehrt zu seinem Auto zurück. Er entschließt sich, die Rückfahrt nach Wernigerode anzutreten, fährt los und findet die Straße nicht mehr. Woher war er gekommen? Steffen W. weiß es nicht.

Dann passiert es - auf der eisglatten Straße rutscht der Porsche Cayenne die Plattform hinab, durchbricht ein Geländer und knickt zwei wertvolle, über 100 Jahre alte Krüppelfichten ab. Der Wagen bleibt 50 Meter tiefer schließlich an einem Felsbrocken im Schnee hängen.

Mit dem Schreck im Nacken harrt Steffen W. vorerst in dem noblen Gefährt aus. "So sicher und komfortabel wie in einem Cayenne sitzt man in keinem anderen Auto - aber es kann noch so warm und sicher sein, irgendwann muss man raus", resümiert er später.

Er schafft es, sich aus dem Wagen zu befreien und macht sich auf den Weg. Der Sturm peitscht derweil hemmungslos auf dem Blocksberg. W. sieht nichts, es ist dunkel, Schneeböen erschweren die Sicht. Auf Knien, so erzählt er, sei er durch den Schnee gerobbt, immer auf der Suche nach dem Brockenhotel. Irgendwann findet er den Eingang. Im Hotel bittet er um Hilfe. Er ruft seine Tochter in Schwedt an, erklärt ihr, was geschehen ist. Sie informiert den Notarzt, der zu Steffen W. auf den Brocken eilt und den unterkühlten Mann versorgt. Er hatte sich eigenen Angaben zufolge beim Herantasten zum Hotel an Händen und Knien verletzt.

Der Brandenburger Unternehmer wird nach Wernigerode ins Harzklinikum gebracht und versorgt. Kurz darauf entschließt er sich, die nächsten vier Tage im Hotel "Gothisches Haus" zu verbringen. Am Unfallabend selbst versucht er noch, ein Taxi zum Brocken zu nehmen und den Brockenwirt vorab telefonisch zu erreichen, um zu klären, was mit seinem Wagen geschieht. Doch es ist bereits 22 Uhr, im Hotel meldet sich niemand mehr. Zudem lehnen alle Taxifahrer ab, zum Brocken hinauf zu fahren.

Steffen W. beauftragt am Heiligabend schließlich eine Firma mit dem Abschleppen des Porsche nach Schwedt - Kosten: rund 2500 Euro. Dabei wird es nicht bleiben. Wie hoch der Schaden für die zerstörten Fichten und am Plateau genau ist, werde erst in der nächsten Woche beziffert, informiert Friedhart Knolle vom Nationalpark Harz. Außerdem komme eine Strafe auf W. zu, weil er die gesperrte Brockenstraße genutzt hat.

Den Porsche fährt Steffen W. übrigens erst seit dem 1. November. Seitdem soll er bereits mehrmals im Straßenverkehr auffällig geworden sein, heißt es seitens der Polizei in der 30.000 Einwohner zählenden Stadt Schwedt. Wernigerode mit seiner märchenhaften Altstadt habe ihn derweil trotz aller Geschehnisse nachhaltig fasziniert, sagt Steffen W.

"Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es schon einmal einen Autounfall auf dem Brocken gab."
Erich Goedecke, Bergwacht

Erich Goedecke zufolge ist es der erste derartige Vorfall auf dem sagenumwobenen Gipfel gewesen. Der Chef des DRK-Kreisverbandes Wernigerode ist bereits seit mehr als 40 Jahren Mitglied der Bergwacht. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es schon einmal einen Autounfall auf dem Brocken gab", sagt er gegenüber Volksstimme.

Er wisse jedoch, dass es sehr wohl immer wieder Menschen gibt, die das Verbotsschild missachten und die Brockenstraße hochfahren, wenn die Schranken an der Station im Tal zufällig geöffnet sind.

Den Unfall hält er derweil für weniger spektakulär. "Vermutlich war die Straße eisglatt, der Wagen kam ins Schlittern." Wegen der starken Schneewehen könne ihm zufolge aber auch ein Phänomen namens \'Whiteout\' aufgetreten sein, bei dem der Horizont verschwindet und Boden sowie Himmel ineinander übergehen. "Das kann auch zu Gleichgewichtsstörungen führen", erklärt Goedecke. "Man sieht nichts mehr, verliert die Orientierung."