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Stadträte diskutieren Fall Rimpler: Schmaler Grat und Geschmäckle

27.02.2014, 14:44

Halberstadt l Darf sich ein städtischer Wirtschaftsförderer als Gesellschafter an einer ortsansässigen Firma beteiligen? Und: Sollte er - wenn rechtlich nichts dagegen spricht - das auch tun? Zwei Fragen, die seit wenigen Tagen die Halberstädter Stadträte bewegen. Dreh- und Angelpunkt ist das Engagement des kommunalen Wirtschaftsförderers Thomas Rimpler. Der hält seit 2012 fünf Prozent Gesellschafteranteile an der Elischa Medical GmbH.

Ein Engagement, das Oberbürgermeister Andreas Henke (Linke) aus rechtlicher Sicht für unproblematisch hält. Ist damit die erste Frage aus Sicht von Rimplers Dienstvorgesetztem beantwortet, bleibt für die Stadträte die zweite, eher moralische Fragestellung. Die bewegt die Fraktionen und wird wohl noch Debatten in den Ausschüssen sowie im Stadtrat nach sich ziehen.

Einigkeit herrscht fraktionsübergreifend in einem Punkt: Vor der Volksstimme-Berichterstattung über Thomas Rimplers privates Engagement bei Elischa wussten die befragten Stadträte nichts über dessen persönliche Nähe zur Elischa GmbH. "Das war mir absolut nicht bekannt", sagt Peter Köpke, Fraktionschef von SPD/Bündnis 90/Grüne. Gleichwohl sieht Köpke nach allem, was bislang bekannt ist, "keine Verfehlung des Wirtschaftsförderers.

Er hat Geld genommen, seine Regierung gefragt und fünf Prozent an einer regionalen Firma gekauft. Ich würde das Ganze im Augenblick nicht verurteilen, das ist ziemlich hochgekocht", so Köpke. Rimpler selbst sei ein Wirtschaftsexperte und habe sich Verdienste erworben.

Doch was ist mit dem gebotenen Neutralitätsgrundsatz des städtischen Wirtschaftsförderers auf der einen Seite und dessen unübersehbare Nähe zu allein einer Halberstädter Firma auf der anderen? Was ist mit möglichen Interessenkonflikten? Und wie geschickt ist es für einen Wirtschaftsförderer, höchstselbst die Basis für eine Befangenheit zu legen?

"Ja", sagt Peter Köpke, "alles in allem ist das schon sehr unglücklich, es bleibt natürlich ein Geschmäckle". Deshalb will er das Ganze in der nächsten Fraktionssitzung zum Thema machen und die Stadt um eine rechtliche Beurteilung bitten. "In jedem Fall ist es unklug und blödsinnig, dass er das gemacht hat." Auch weil die Wirtschaftsförderung als freiwillige Leistung immer wieder in der Kritik stehe, sei es ungeschickt, am eigenen Stuhl zu sägen. Zumal so zwangsläufig der Verdacht von Filz und Vorteilsnahme entstehe.

In diese Kerbe schlägt auch CDU-Fraktionschefin Frauke Weiß. "Ich persönlich hätte mich niemals so aufs Glatteis begeben." Gerade weil die Grenze zwischen Erlaubtem und Verbotenem hier so schwer zu ziehen sei, sei absolute Zurückhaltung geboten. "Ich sehe das ähnlich wie der Jurist Thomas Leimbach."

Der auf Verwaltungsrecht spezialisierte Rechtsanwalt und frühere Chef des Landesverwaltungsamtes hatte gegenüber der Volksstimme die Schwierigkeit herausgestellt: Einerseits das grundgesetzlich verbriefte Recht der persönlichen wirtschaftlichen Entfaltung und andererseits die Gefahr, als Amtsperson Grenzen zu überschreiten.

"Eigentlich müssten ganz klare Regeln in die Arbeitsverträge der städtischen Mitarbeiter hinein", schlussfolgert Frauke Weiß. Auch sie will den Fall Rimpler in der Fraktion zum Thema machen.

Eine Frage, die sich dabei stellt, dürfte die nach dem Zustandekommen der engen Verflechtung zwischen Rimpler und der Elischa GmbH sein. "Herr Rimpler hat uns bei der Ansiedlung sehr unterstützt. Der Geschäftsführer hat ihm daraufhin eine Beteiligung angeboten", sagt Bernd Köhler als Vertrauter von Elischa-Geschäftsführer Ricky Flach. Inwieweit Rimpler als Wirtschaftsförderer diese Offerte habe annehmen können, sei allein seine Entscheidung gewesen. Und: "Für die fünf Prozent, die 1250Euro entsprechen, hat Herr Rimpler gezahlt."

Forum-Fraktionschef Rainer Neugebauer will sich erst in der Verwaltung schlau machen und dann Position beziehen. Nur so viel: "Es gibt bei der Thematik sicherlich eine politische und eine moralische Komponente."

Daran erinnert auch Links-Fraktionschef Hans Joachim Nehrkorn. "Wir sind uns einig, dass das ein schmaler Grat ist." Ein Aspekt sei die Position des Arbeitgebers und die Frage, ob Rimpler seine Beteiligung angezeigt habe. Laut Rathaus ist das erfolgt. Jene fünf Prozent Anteile sind für Nehrkorn sekundär, es gehe um den Fakt als solchen.

Zugleich erinnert der Linkspolitiker an das wirtschaftliche Engagement des früheren Oberbürgermeisters Harald Hausmann. Der zwischenzeitlich verstorbene parteilose Kommunalpolitiker sei unter anderem bei Schlachthof und Landwurst GmbH aktiv gewesen. "Und die Landwurst-Bockwürste gab es in den Stadtrats-Sitzungspausen."

Überhaupt sei die Gefahr, in Grenzbereiche von Wirtschaft und Politik zu rutschen, groß, erinnert Nehrkorn. "Viele Stadträte sind Mieter der Wohnungsgenossenschaft (WGH) und halten Genossenschaftsanteile. Was ist mit ihnen bei Abstimmungen, die die WGH tangieren?" Und es gebe Stadträte, die unternehmerisch tätig seien. "Was ist mit ihrem Hintergrundwissen als Stadtrat?"

Darauf verweist auch Christian Hamann von der Dreierfraktion. "Das ist ein sehr schwammiges Gebiet. Für mich ist Rimpler Handeln aber völlig unkritisch."

Die Kreis-Kommunalaufsicht hält sich mit einer rechtlichen Beurteilung zurück: Ein mögliches Fehlverhalten eines Stadtangestellten müsse der Oberbürgermeister prüfen.