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Bürgerpreis der Hospitälerstiftung geht an die Seniorenvertretung in Wernigerode Renate Schulze vertreibt mit ihrem Verein die Einsamkeit der Älteren

Von Julia Bruns 13.03.2014, 02:25

Renate Schulze engagiert sich seit 15 Jahren als Vorsitzende der Seniorenvertretung für mehr als 10000 ältere Menschen in Wernigerode. Beim heutigen Generationenkonzert wird der Verein rund um die rührige 76-Jährige mit dem Bürgerpreis ausgezeichnet.

Wernigerode l Wenn die Wernigeröder Seniorenvertretung beim heutigen Generationenkonzert mit dem Bürgerpreis der Hospitälerstiftung geehrt wird, gilt diese Auszeichnung besonders einer einzelnen Frau: Renate Schulze engagiert sich seit 15 Jahren als Vorsitzende der Seniorenvertretung für die älteren Mitbürger der Stadt.

Als sie im Januar 1999 den Vorsitz übernahm, hätte sie wohl nicht geglaubt, wie viel sie für die mehr als 10000Senioren in Wernigerode in Bewegung setzen würde: regelmäßige Informationsveranstaltungen zum Wohnen im Alter, Vorträge über Gesundheit, Schwimm- und Fitnesstage, Vorlesungen der Generationen-Hochschule, Tanztees, Internet- und Handykurse, Spaziergänge und Treffen mit jungen Leuten beim Generationscafé "Jung und Alt gemeinsam" und die Bus-Ausflüge "Jung und Alt auf Reisen" mit den Studenten der Hochschule Harz.

Die Wartelisten für die Reisen sind lang, die Veranstaltungen stets gut besucht. Der Schwerpunkt liegt auf der Begegnung der Generationen. "Mich sprechen Leute an der Bushaltestelle oder in der Stadt an. Sie finden unser Engagement toll", sagt Renate Schulze. Die 76-Jährige ist mit der Seniorenvertretung unumstritten eine wichtige Instanz im sozialen Leben Wernigerodes.

Dabei hatte es die gebürtige Stendalerin noch nicht einmal auf den Vorsitz abgesehen, als im November 1998 die Vorstandswahl des Seniorenbeirats stattfand. "Ich war frisch dabei, mich kannte kaum jemand, und ich war in Tunesien im Urlaub", erinnert sie sich im Volksstimme-Gespräch. "Und dann wurde ich einstimmig in den Vorstand gewählt."

Eine ihrer ersten Aufgabe hatte es bereits in sich: Nach einer Empfehlung der Landesseniorenvertretung sollte sie im Jahr 2000 die Gründung eines eingetragenen, gemeinnützigen Vereins vorbereiten. "Der Seniorenbeirat war 1994 auf Initiative der ehemaligen Sozialamtsleiterin Christiane Paul gegründet worden. Er war aber rechtlich nicht selbstständig, wir waren finanziell total abhängig von der Verwaltung", erklärt sie. "Das sollte sich ändern." Im Juni 2002 war es so weit - der Verein wurde als Interessenvertretung der 60- bis über 100-Jährigen gegründet.

"Ich bin am Anfang von einem Fettnäpfchen ins andere getreten."

Zunächst sei die Vorsitzende "von einem Fettnäpfchen ins andere" getreten. "Ich habe bei Versammlungen Mitarbeiter der Stadtverwaltung nebeneinander gesetzt, die sich nicht leiden konnten", verrät sie. "Das musste ich erst alles lernen."

Höhepunkt ist für sie rückblickend die erste Tagesfahrt der Seniorenvertretung nach Tangermünde im April 2010. "Der ganze April war verregnet - und an diesem Tag gab es den herrlichsten Sonnenschein." Mittlerweile reicht ein Bus für die Teilnehmer nicht mehr aus.

Von der Idee über Einladungen und Pressearbeit bis hin zur Organisation der Veranstaltungen - fast alles erledigt Renate Schulze in Eigenregie. "Ich mache zu vieles allein", sagt sie. Die ehrenamtliche Arbeit sei anstrengend, "aber die Freude und Dankbarkeit der Senioren entschädigt dafür allemal", sagt sie. "Wenn ich bei unseren Spaziergängen ein neues Gesicht sehe, dann freue ich mich: Wieder haben wir einen Einsamen hinterm Ofen vorgelockt."

Hinter Renate Schulze liegt "ihr persönliches Pechjahr 2013", wie sie sagt. Bei der letzten Reise im April 2013 in die Oberlausitz hat sie sich den linken Oberarm gebrochen. "Es war ein komplizierter Bruch, mir wurde eine Platte mit neun Schrauben eingesetzt." Am Freitag, 13. September, wurde eine Schraube rausoperiert, weil sie ihr Schmerzen bereitete. Im November das nächste Unglück - Renate Schulze rutschte zuhause aus und brach sich das Handgelenk. Ein Pflegedienst musste sie betreuen. "Insgesamt musste ich vier Mal in die Klinik - und das, obwohl ich 40 Jahre vorher nie im Krankenhaus war."

Nun freut sie sich umso mehr auf die Auszeichnung mit dem Bürgerpreis der Hospitälerstiftung. "Nach 15 Jahren Vorsitz und 20-jährigem Bestehen des Vereins haben wir uns das verdient." Die Verleihung, bei der Ex-Oberbürgermeister Ludwig Hoffmann die Laudatio hält, erfolgt während des Generationenkonzertes "Jung und Alt gemeinsam" mit dem Philharmonischen Kammerorchester in der Aula des Stadtfeld-Gymnasiums, Ernst-Pörner-Straße 15. Das Konzert beginnt um 14.30 Uhr.

Aufgewachsen ist Renate Schulze in der Altmark. Eine Lehre in der Kreissparkasse Stendal schließt sie 1954 ab, danach leitet sie eine Zweigstelle in Uchtspringe. Über eine der letzten Stellenanzeigen, die in der DDR-Zeitschrift "Wochenpost" geschaltet werden durften, wird sie im Herbst 1959 auf einen Job in der Wernigeröder Kreissparkasse aufmerksam.

Die Bewerbung glückt, vom 1. Januar 1960 an ist sie für die Kundenkontoführung und die Maschinenbuchhaltung zuständig. Später wird sie Personalchefin, unter anderem ist sie auch zuständig für den jetzigen Harzsparkassen-Vorstand Wilfried Schlüter.

"Nach der Wende habe ich mich sehr um die anderen Mitarbeiter gekümmert", sagt sie. "Mein ganzes Leben drehte sich damals um die Sparkasse, mein ganzer Bekanntenkreis hat dort gearbeitet." Noch vor ihrem 60. Geburtstag geht sie in Rente. "Um nicht in ein schwarzes Loch zu fallen, musste ich mir eine neue Aufgabe suchen."

Beim Verein "Kontakte, Hilfen, Perspektiven" organisiert sie von 1996 an Spiele-Nachmittage für Ältere und engagiert sich als Schatzmeisterin. Als alleinerziehende Mutter hatte sie das Haushalten schon früh gelernt. Mit ihrem Sohn Rainer - er ist heute Diakon bei der katholischen Pfarrei St. Bonifatius - lebte sie zu DDR-Zeiten in einer kleinen Wohnung im Seigerhüttenweg. "Ich habe immer sparen müssen."

"Ich war damals eine junge Seniorin. So jemand suchen wir jetzt."

1998 wird sie vom Kontakte-Verein zur Mitarbeit im Seniorenbeirat delegiert, wo sie kurz darauf den Vorsitz übernimmt. "Ich war damals eine junge Seniorin, genau so jemanden suchen wir jetzt auch", erklärt sie. Denn Renate Schulze wird bei der Vorstandswahl 2015 nicht noch einmal antreten. "Der Vorsitzende wird für drei Jahre gewählt, 2018 wäre ich 81 Jahre alt - irgendwann muss Schluss sein."

Engagieren wolle sie sich natürlich weiterhin in der Seniorenvertretung, die derzeit 34 Mitglieder zählt. Besonders am Herzen liegt ihr, junge Senioren für die Arbeit zu begeistern. "Wer älter als 60 Jahre ist und über Computerkenntnisse verfügt, kann sich gerne mit mir in Verbindung setzen."

Kontakt unter Telefon (03943)633693