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Harzer Tourismuschefin Carola Schmidt fordert mehr Kreativität bei kultureller Vermarktung Der Winter ist ausgefallen, na und

03.04.2014, 01:20

Harzurlauber, die Lust auf Rodeln und Skilanglauf hatten, wurden vom Winter heftig enttäuscht. Carola Schmidt, Chefin des Harzer Tourismusverbandes, stimmt nicht in das Wehklagen ein. Sie fordert stattdessen, der Harz müsse kreativer auch seine kulturellen Stärken betonen. Mit ihr war Volksstimme-Redakteur Tom Koch im Gespräch.

Volksstimme: Können Sie die ewige Kritik am ausgebliebenen Winter noch hören?

Carola Schmidt: Der zu warme und nahezu schneefreie Winter war schon ein großes Thema. Aber wir Touristiker leben ja ständig mit der Wetterkritik: Mal gibt es Klagen über kalte, nasse Sommer, dann stöhnt die halbe Republik über Rekordhitze. Das kennen wir gut, und darum ist es wichtig, richtig zu reagieren.

Volksstimme: Haben Sie dafür Beispiele?

Schmidt: Viele Harzer Hotels mussten ihre bei Familien beliebten Angebote wie "Rodel-Schlangen" absagen. Einzelne Gastgeber haben stattdessen geführte Wanderungen kurzerhand wieder ins Programm aufgenommen und die Mountainbikes frühzeitig aus dem "Winterschlaf" geweckt.

Volksstimme: Das klingt nach: "Der Winter ist ausgefallen, na und!"

Schmidt: Wir als Harzer Gastgeber haben nun mal keinen Einfluss auf das Wetter, aber auf unsere Angebote für die Urlauber. Speziell im Sommer ist der Städtetourismus im Harz stark nachgefragt, der Herbst gilt als klassische Wandersaison. Unsere Aufgabe ist es, die Gäste darauf aufmerksam zu machen, dass unsere malerischen Fachwerk-Orte zu jeder Zeit eine Reise Wert sind. Wandern, Bewegung generell und das Naturerlebnis im Harz sind nicht auf eine spezielle Jahreszeit beschränkt.

Volksstimme: Sie fordern also keine neuen zusätzlichen Angebote, falls der Winter auch künftig ausfällt?

Schmidt: Wir brauchen keinen solchen PlanB, um fehlenden Wintersport durch andere Angebote zu ersetzen. Es gibt diese bereits, in einer sehr hohen Dichte und auf relativ kleinem Raum.

Volksstimme: War das vor sieben Jahren ihre Motivation, den Harzer KulturWinter ins Leben zu rufen?

Schmidt: Um es angesichts des ausgefallenen Winters deutlich zu sagen. Der KulturWinter ist nicht als Alternative zu Skilanglauf, Rodeln und Schneewanderungen geplant worden, sondern ganz bewusst als Ergänzung, als zusätzliches Angebot an unsere Gäste. Wir erleben oft - noch viel zu oft - dass der Harz nicht als Kultur-Reiseziel wahrgenommen wird. Das müssen wir ändern, dabei durchaus auch etwas kreativer auftreten.

Ostharz stärker vom Hochwasser betroffen

Volksstimme: Das Harzer Tourismusjahr 2013 ist aus Ihrer Sicht wie zu beurteilen?

Schmidt: Eher durchwachsen, was allein die Übernachtungszahlen betrifft. Der Ostharz war stärker vom Hochwasser betroffen, weil viele Gäste in Sachsen und Brandenburg zuhause sind, dort von den Fluten bedroht waren. Insgesamt weist der Ostharz ein Übernachtungsminus von knapp 3 Prozent auf.

Volksstimme: Dafür kann der Westharz mit einem für die ganze Region wichtigen Erfolg punkten...

Schmidt: ...richtig. Der Harz konnte die rote Laterne im niedersächsischen Tourismus abgeben. Für 2013 zeigt die Übernachtungsstatistik einen Rückgang von 0,4Prozent.

Volksstimme: Was bedeuten diese Statistikwerte?

Schmidt: 2011 musste der gesamte Harz ein Minus verkraften, dafür war 2012 ein starkes Jahr mit kräftigem Plus. Es war zu erwarten, dass 2013 wieder schwächer ausfällt. Wichtig dabei ist, dass wir uns in einem vertretbaren Korridor bewegen. Problematisch wäre es übrigens, wenn alle Urlaubsregionen um zehn Prozent wachsen und nur wir im Harz ein dickes Minus hätten. Aber so ist es ja nicht.

Volksstimme: Sondern?

Schmidt: Wir erleben nicht nur bei uns im Harz, ebenso mit Gesprächspartnern von außerhalb eine sehr positive Stimmung. Viele sehen optimistisch in die Zukunft.

Volksstimme: Frau Schmidt, personell war 2013 für den Harzer Tourismusverband durchaus turbulent, oder?

Schmidt: Ganz sicher, mit den früheren Landräten Michael Ermrich (Harzkreis) und Stephan Manke (Goslar) haben wir langjährige Mitstreiter für den Tourismus im Harz verloren. Nach den ersten Beratungen mit unseren neuen Vorstandsmitgliedern kann ich aber einschätzen, das Miteinander ist durchaus harmonisch, sach-orientiert und sehr an Lösungen interessiert.

Volksstimme: Welche Themen wollen Sie 2014 anpacken?

Schmidt: Die bessere Vernetzung der Harzer Welterbestädten in Sachsen-Anhalt mit Eisleben und Quedlinburg und in Niedersachsen mit Goslar, Rammelsberg und Oberharzer Wasserwirtschaft ist eine Aufgabe. Dafür kooperieren wir mit beiden Landesmarketinggesellschaften und der Welterbestiftung Harz. Dank der Unterstützung dieser Partner verfügt das Projekt über einen Etat von rund 80000Euro. Dabei werden wir uns im Wesentlichen auf die ausländischen Märkte in Großbritannien und den Niederlanden konzentrieren.

Eine weitere: Wir planen wir eine sogenannte Multi-Chanel-Kampagne, also mit Hilfe von Zeitungsbeiträgen, Radio, Internet und/oder anderen Kommunikationskanälen für den Harz zu werben; entweder in Hamburg oder Berlin, das wird noch entschieden.

Volksstimme: Stichwort Internet. Ist das eine "Spielwiese" für Freaks oder zunehmend für den Tourismus wichtig?

Schmidt: Schon wichtig, und künftig bestimmt mit noch größerer Bedeutung. Allein, um die Menschen ganz aktuell über die augenblickliche Situation hier bei uns zu informieren. Ob Wettercam auf dem Brocken oder die aktuellen Schneehöhen und Liftangebote, die Menschen informieren sich erst daheim, bevor sie zum Tagesausflug in den Harz fahren. 2012 sind wir als HTV mit 4000sogenannten Fans bei "Facebook" gestartet, inzwischen beträgt deren Zahlüber 12000. Oder nehmen Sie die Zugriffe auf unsere Internetseiten: 2012 haben wir rund 500000Seitenaufrufe registriert, diese Zahl hat sich binnen eines Jahres fast verdoppelt, erreichte 2013 den Wert von 910000. Unser Routenportal wird sehr gut genutzt, unsere App wurde bisher 10000-fach heruntergeladen.

Aufrufe der Internetseiten haben sich verdoppelt

Volksstimme: Das Internet verrät, wer sich auf den Harzer Tourismusseiten informiert. Wer sind aktuell die klassischen Harz-Urlauber?

Schmidt: Das sind vor allem Familien mit Kindern und zunehmend Paare im Alter von 45Jahren aufwärts, die über eine gute Kaufkraft verfügen. Wir im Harz verfügen im Vergleich zum Schwarzwald oder Bayerischen Wald über eine größere Dichte an vielfältigen attraktiven Angeboten. Dessen müssen wir uns tagtäglich bewusst sein, und ein jeder an seinem Platz der bestmögliche Gastgeber sein. Das macht aus einem schlechten Winter keinen guten, doch unsere Gäste werden sich daran erinnern, dass sie bei uns im Harz immer willkommen sind.