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Muss Benzingerodes Geschichte neu geschrieben werden? Spurensuche führt bis in das Jahr 5500 vor Christi zurück

Von Ingmar Mehlhose 15.01.2011, 05:28

Muss Benzingerodes Geschichte neu geschrieben werden? Diese Frage stellt sich jetzt der Gruppe der Chronisten im Wernigeröder Ortsteil. Ein Dortmunder Buchautor vertritt die These, das Dorf könnte bereits 5500 vor Christi entstanden sein. Grundlage dafür sind die bei der Trassierung der neuen B 6 entdeckten archäologischen Funde.

Benzingerode. So alle zwei Monate sitzen die Ortschronisten beisammen, tauschen ihre jüngsten Erkenntnisse aus und feilen weiter an dem Band für das Jubiläum "800 Jahre Benzingerode". 2013 soll es feierlich begangen werden. Bei diesem Termin wird es wohl bleiben. Obwohl die Heimatforscher jetzt mit völlig neuen Erkenntnissen konfrontiert werden.

Siegfried K. Müller spannt seine Mitstreiter Martha Michael, Astrid Kleemann, Horst Bollmann, Ottmar Wolff, Michael Hartung und Gerhard Köhler an diesem Donnerstag-abend im Gasthof "Zur Linde" allerdings lange auf die Folter, ehe er über den eigenen Worten nach "Knaller" berichtet.

So geht es der Runde zunächst um den Stand der Vorbereitungen zum Druck der Chronik. Der Blankenburger Brücke-Verein wartet auf die Manuskripte.

Michael Hartung hat zum Beispiel Flora und Fauna recherchiert. Auch geologische Daten finden sich in den Notizen des Biologielehrers.

Immerhin gut 70 Seiten Text präsentiert Ottmar Wolff. Der ehrenamtliche Leiter des Schulmuseums hat nicht nur sein Spezialgebiet umfassend beleuchtet. Aus seiner Feder stammen ebenso detaillierte Informationen zum Hebammenwesen in Benzingerode, den Ortsvorstehern und Bürgermeistern oder zur napoleonischen Besatzungszeit.

"Das ist nicht unbedingt das, was wir wollen"

"Das ist noch nicht die ganze Geschichte", sagt Müller. Da gab es Pferdezucht, zwei Gipsbrennereien und anderes mehr. Vor 100 Jahren wurde nach Kupfererz gegraben. Und was ist denn mit der Feuerwehr?

Dann geht es endlich um das Alter. Bereits 1975 gab es ein Schreiben aus dem Niedersächsischen Staatsarchiv Wolfenbüttel. Auch Wernigerodes ehemaliger Oberbürgermeister Ludwig Hoffmann hatte später dort mal nachgefragt.

"Es war da nichts Neues", fasst Siegfried K. Müller zusammen. Bis jetzt.

Kurz vor dem Jahresende hat sich Ralf Koneckis-Bienas bei ihm gemeldet. Der Dortmunder Skandinavist und Buchautor glaubt, belegen zu können, dass Benzingerode viel älter ist als bisher angenommen. Seine These stützt sich auf die bei den Grabungen auf der Trasse für die neue B 6 gefundenen Pflastersteine aus der altrömischen Kaiserzeit. Auch die seinerzeit entdeckte Totenhütte spielt eine wesentliche Rolle. Werde deren Datierung zu Grunde gelegt, so Koneckis-Bienas, "können sie tatsächlich eine 5000-Jahr-Feier für ihren Ort vorbereiten". Aus Sicht des Wissenschaftlers wäre dies allerdings zu kurz gesprungen. Der Autor: "Doch nach den archäologischen Befunden ist Ihr Ort älter. Die ersten ‘Benzingeröder‘ erscheinen um 5500 vor Christus." Konkret gemeint sind Relikte aus der linienbandkeramischen Kultur, wie beispielsweise Hausumrisse. Ralf Koneckis-Bienas: "Zählen Sie jetzt noch die Jahre mit hinzu, die seit der christlichen Zeitrechnung vergangen sind, so kommen Sie ... auf (5500+2010) = 7510 Jahre." Der Dortmunder führt für seine Erkenntnisse schließlich die sogenannte "Byzantinische Ära" ins Feld. Da sie am 15. September das neue Jahr begrüßt, zählt sie an diesem Tag 2011 bereits das 7520. Jahr für das Dorf.

Die Ortschronisten sind ob solcher Botschaften sichtlich skeptisch. Ottmar Wolff: "Das ist nicht unbedingt das, was wir wollen." Klar erscheint es toll, zu ergründen, von wo nach wo die Römer einst gezogen sind. Schön auch, dass es in etwa 600 Kilometern Entfernung einen zweiten Austberg gibt – auf der Schwäbischen Alb. Wolff: "Wir sollten den Bericht in gekürzter Form mit einbinden in unsere Chronik." Und: "Viele Dinge lassen sich nicht in einer Zahl fassen."

Horst Bollmann sieht das ähnlich. "Für mich ist das Greifbare wichtig." So möchte er unter anderem Gästen schon erklären können, woher die Rogensteine für die Häuser im Ort stammen, wer sie wo und wann abgebaut hat.

Darauf gibt es eventuell bereits beim nächsten Chronistentreff eine plausible Antwort. Er ist für Donnerstag, 17. März, um 19.30 Uhr dann in der "Postschänke" geplant. Ortsbürgermeister Siegfried K. Müller grüßt derweil mit Wünschen für ein schönes Wochenende "aus dem 7520-jährigen Benzingerode".

Mit einem Lächeln.Übrigens