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Erinnerung an Martin Kilian Der Mann, der den Abriss der Altstadt verhinderte

Von Julia Bruns 17.07.2014, 03:18

Wernigerode l 28 Jahre lang - vom 15. Oktober 1962 bis zum 6. Mai 1990 - ist er der Bürgermeister von Wernigerode gewesen: Martin Kilian verstarb am 2. Juli 2014 im Alter von 86Jahren in einem Wernigeröder Altenpflegeheim. Sein Leben war durch seine Zeit als Bürgermeister und seine Karriere im Sport geprägt.

Als Vizepräsident des Weltbobverbands reiste Martin Kilian um die Welt. Im Ausland erhielt er Anregungen, die er als Bürgermeister in Wernigerode umsetzte. "Er hatte ein Faible für die historische Altstadt", sagt Ludwig Hoffmann. Wernigerodes ehemaliger Oberbürgermeister (SPD) lernte Martin Kilian als besten Freund seines Schwiegervaters Herbert Homann persönlich kennen und recherchierte seine Biografie (Seite 15). So entstand unter Kilians Regie die erste Fußgängerzone der DDR, die 1979 anlässlich der 750-Jahr-Feier in Wernigerode eingeweiht wurde. "Er hatte einen solchen Boulevard in Fürth gesehen", sagt Hoffmann. Auch die Sanierung von "volkseigenen" Häusern schon zu Zeiten, als die SED noch ausschließlich auf industriellen Wohnungsbau setzte, zeugt von seinem Engagement für die historischen Gebäude.

Schließlich verhinderte Kilian sogar den Abriss der Wernigeröder Altstadt. Im Bezirk Magdeburg plante man, die Fachwerkhäuser abzureißen und die Flächen mit Plattenbauten neu zu "gestalten". Kilian bemühte sich mit dem Stadtarchitekten Wolfgang Köhler erfolgreich, die Innenstadt unter Denkmalschutz zu stellen.

"Das ist in meinen Augen sein größter Verdienst", sagt der Wernigeröder Volker Thurm. "Dass Wernigerode in den 40 Jahren DDR nicht dem Schicksal vieler Städte folgte, sondern sich schon damals zum Touristenmagnet entwickelte, haben wir Wernigeröder der Weitsicht, dem Engagement und dem Rückgrat von Martin Kilian zu verdanken."

"Dass Wernigerode in der DDR nicht dem Schicksal vieler Städte folgte, haben wir Wernigeröder der Weitsicht, dem Engagement und dem Rückgrat von Martin Kilian zu verdanken."

Volker Thurm, Wernigerode

Die Stadt habe sich an der Sanierung beteiligt und günstige Kredite für den Erhalt der historischen Privathäuser vermittelt. Das Rathaus selbst konnte auf Kilians Engagement hin mit Farbe aus der italienischen Partnerstadt Carpi gestrichen werden. Die restliche Farbe stellte er Hausbesitzern in der Marktstraße zur Verfügung, erinnert sich Volker Thurm. Als Bürger habe man sich mit Sorgen stets an ihn wenden können.

Ulrich Goetz hat als Stadtrat für Verkehrswesen, Energie, Umweltschutz, Wasserwirtschaft und Straßenwesen 15 Jahre mit dem gebürtigen Schlesier zusammengearbeitet. In punkto Straßenbau habe Kilian besonders engagiert in Wernigerode gewirkt, unter anderem die Straße zum Schloss bauen lassen. "Er war ein guter Chef", sagt Goetz rückblickend. Er kann sich aber auch an Tage im Frühjahr erinnern, da habe Martin Kilian die Ratsmitglieder, die zur Arbeitsgruppe Sauberkeit gehörten, morgens um 6 Uhr antreten lassen. "Manchmal hat er ein bisschen über die Stränge geschlagen", sagt Goetz und lacht.

Dass Martin Kilian ordnungsliebend und pünktlich war, bestätigt Heidi Homann sofort. Gemeinsam mit ihrem Mann Herbert war Kilian als Bremser 1953 gesamtdeutscher Vize-Meister in Winterberg geworden. "Durch seine unwahrscheinliche Anschubkraft haben wir diese guten Zeiten erreicht", sagt Herbert Homann.

"Todesmutig" saßen ihr Mann und Martin Kilian damals in dem Bob, der von Chemie Rübeland finanziert wurde, sagt Heidi Homann. "Es gab regelmäßig Tote zu beklagen. Die Naturbahnen war uneben, anfangs hatten die Fahrer noch nicht einmal Helme auf." Da er Bobfahren "von der Pike auf" gelernt habe, konnte Kilian später im Verband wichtige Änderungen im Reglement vornehmen. Heidi Homann erinnert sich daran, wie in der Stadt "abgewintert" wurde. "Nach der Wintersportsaison kam alles, was im Sport national und international Rang und Namen hatte, nach Wernigerode und feierte zusammen."

"Nach der Wintersportsaison kam alles, was im Sport national und international Rang und Namen hatte, nach Wernigerode und feierte zusammen."

Heidi Homann, Wernigerode

Nach der aktiven Zeit im Bobsport verband die Familien bis zuletzt eine enge Freundschaft. "Wir feierten alle Feste zusammen - Kindergeburtstage, Jugendweihen, Silvester", sagt Heidi Homann. "Das letzte Mal hat er uns 2013 zum Geburtstag meines Mannes besucht."

Martin Kilian war es, der das Rathausfest initiierte. Während seiner Amtszeit entstanden die Wohngebiete in der Burgbreite (1970-72), im Stadtfeld (1982-86) und Harzblick (1987-90), der Kilian-Kreisel, die Schwimmhalle (1971), die Schanze im Zwölfmorgental (1963), Kindergärten sowie Schulen in der Burgbreite, in Hasserode ("August-Hermann-Franke"), im Küchengarten ("Maxim Gorki"), im Stadtfeld (Grund- und Erweiterte Oberschule) und im Harzblick samt Turnhallen.

Dass Martin Kilian ganz besonders die Jugendeinrichtungen am Herzen lagen, daran erinnert Eberhard Schröder. Er war von 1979 an sieben Jahre hauptamtlich in der FDJ-Kreisleitung tätig. Während Kilians Amtszeit wurden die Jugend-Freizeiteinrichtungen im Stadtgarten ("Jugendclub Elmo") und an der Angerspitze gebaut. "Er war sehr selbstbewusst - und das nicht unbegründet, schließlich war er international hoch angesehen." Nicht nur die Städtepartnerschaft mit Carpi 1964, auch mit Neustadt an der Weinstraße 1989 habe Kilian maßgeblich vorbereitet.

Eine ausführliche Biografie finden Sie auf Seite 15.