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Volksstimme-Umfrage zum schlechten Ergebnis im Landesvergleich unter Politikern, Verwaltern und Abgeordneten Harzwirtschaft nur Mittelmaß - Stimmen aus der Region

Von Tom Koch 25.07.2014, 01:19

Halberstadt l Die Landes-Statistiker haben die Wirtschaftskraft der Jahre 2011 und 2012 verglichen. Das Ergebnis fällt aus Harzer Sicht desaströs aus. Während Sachsen-Anhalt im Mittel ein 2,8-prozentiges Wachstum vorweisen konnte, liegt der Harzkreis mit 1,8 Prozent weit abgeschlagen im unteren Mittelfeld: Platz neun im Vergleich aller elf Landkreise und der drei Großstädte im Land. Weit vorn ist Anhalt-Bitterfeld (8,8 %), vor Salzwedel (4,3 %) und der Börde (4,1 %).

Im Harzkreis bewerten Politiker, Verwaltungsangestellte und Abgeordnete dieses Wirtschafts-Ranking unterschiedlich, ergab eine Volksstimme-Umfrage am Donnerstag.

Dirk Michelmann erklärte als Chef des neugeschaffenen Fachbereichs für Strategie und Steuerung in der Kreisverwaltung, das Bewusstmachen eigener Reserven sei ein erster Schritt, "zur notwendigen Schwerpunktsetzung für die weitere Entwicklung". Dabei sei seine Behörde ebenso gefordert wie die übrigen Akteure in der Region. Allerdings, darauf verwies Michelmann ebenso, der wirtschaftlich wichtige Harztourismus habe nicht solchen Einfluss auf das Bruttoinlandprodukt wie beispielsweise die Chemieindustrie im Landessüden. Zudem stehe der Harzkreis bei der Beschäftigungssituation im Land "überdurchschnittlich gut da".

Halberstadts Wirtschaftsförderer Thomas Rimpler sieht den Harzkreis "eigentlich gut wirtschaftlich aufgestellt". Er gab zu bedenken, dass die hiesige gute Ausgangslage es schwer mache, bei prozentualen Vergleichen immer vorn zulegen. Rimpler: "Entscheidend dafür ist doch auch wo komme ich dabei her." Für Halberstadt schätzte er ein: "Wir sind auf einem guten Weg." Er könne von einem Plus an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen, von Firmenerweiterungen und erfolgreichen Neuansiedlungen berichten.

Auch Denis Loeffke (CDU), Bürgermeister im industriestarken Ilsenburg, betonte: "Ich kann diese Einschätzung nicht bestätigen." Gewiss stimmten die statistischen Werte, doch "gefühlt und tatsächlich habe ich hier in Ilsenburg eine ganz andere Wahrnehmung". Er könne keine Verringerung der Wirtschaftskraft erkennen, tatsächlich gebe es "ein qualitatives Wachstum". Auch der städtische Anteil an der Lohnsteuer der in Ilsenburg Beschäftigten seien von 2012 zu 2013 gestiegen. Loeffke: "Das beweist zumindest, dass in Ilsenburg die Lohntüten besser gefüllt worden sind." Gleichwohl kann der Rathauschef nicht verhehlen, dass die konzerngebundenen Firmen der Metall- und Stahlbranche "aktuell nicht ganz so positive Zahlen vorweisen können".

Für CDU-Kreistagsfraktionschef Thomas Balcerowski kommt das schlechte Abschneiden des Harzkreises nicht von ungefähr. Dieser weise wirtschaftlich Licht und Schatten auf, vor allem in den früheren Kreisen Halberstadt und Quedlinburg fehle es an notwendiger wirtschaftlicher Dynamik. Balcerowski, als Thalenser Bürgermeister selbst Mitarbeiter einer Behörde, forderte von jedem Verwaltungsangestellten, er müsse seine Aufgabe als Wirtschaftsförderung begreifen. "Wir erleben seit geraumer Zeit allerdings das Gegenteil. Immer neue bürokratischen Hürden behindern Investitionen", beklagte Balcerowski. Die Genehmigungsverfahren dauerten länger, die Kreisverwaltung sei träger geworden, kritisierte der Thalenser. Oftmals müsse direkt beim Landrat nachgefragt werden, warum bestimmte Verfahren nicht zügig und im Sinne der Investition bearbeitet würden, berichtete der CDU-Politiker. Thomas Balcerowski bekräftigte zudem, das sei nicht allein seine Einschätzung. Solche Klagen höre er zunehmend häufiger im Kreis seiner Bürgermeisterkollegen.

Als Chef des städtischen Wirtschaftsausschusses forderte der Wernigeröder SPD-Stadtrat Armin Willingmann: "Wir müssen uns immer fragen, ob Räte und Verwaltungen die richtigen Signale an die Adresse der Investoren aussenden." Für ihn reiche es jedoch nicht, "Investitionen in den Harzkreis zu locken". Schließlich würden auch zusätzliche Mitarbeiter benötigt, die in den neuen Werken tätig sein sollen. Willingmann: "Neben einer klugen Ansiedlungspolitik ist daher auch eine neue Willkommenskultur erforderlich."