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Zentrales Trauerregister Makabere Spiele mit Trauernden

Mit einer skrupellosen Masche versuchen derzeit Unbekannte, Trauernden
Geld aus der Tasche zu ziehen. Sie suggerieren den Aufbau eines
zentralen Trauerregisters und verlangen dafür eine Gebühr. Eine Masche,
die offenbar landesweit Konjunktur hat und vor dem Harz nicht Halt
macht.

Von Dennis Lotzmann 02.08.2014, 03:23

Halberstadt l Renate Wetzel trauert. Vor wenigen Wochen ist ihr Mann gestorben. Gegenwärtig hat die 74-Jährige allerlei Dinge zu regeln. In den unumgänglichen Papierkram mischte sich in dieser Woche das Schreiben eines "Zentralen Trauerregisters". Mit dem Brief wird die trauernde Frau darüber informiert, dass die Veröffentlichung ihrer Todesanzeige im Trauerregister aufgenommen worden sei. Die dadurch entstehenden Gebühren - trotz zehnprozentigen Rabatts immerhin 395,20 Euro - möge sie bitte binnen fünf Tagen überweisen.

Renate Wetzel wurde stutzig. Schließlich hatte sie nur via Trauerinserat in der Volksstimme über den Tod ihres Mannes Peter informiert. "Ein Trauerregister habe ich dafür niemals bemüht", sagt die Halberstädterin voller Empörung. Letztlich machte die 74-Jährige wohl das einzig Richtige: Sie überwies den geforderten Betrag nicht und ging sofort zur Polizei.

Renate Wetzel ist nicht die einzige Harzerin, bei der jenes Trauerregister anklopfte. Die im Harz ansässigen Bestatter kennen eine Reihe ähnlicher Fälle. "Bei mir haben sich zwei Betroffene gemeldet. Zwei weitere, die wir vorsorglich informiert haben, hatten analoge Schreiben in ihrem Briefkasten", berichtet beispielsweise die Halberstädter Bestatterin Renate Gustus.

Nach Informationen der Volksstimme soll wohl in einem Fall die Hausbank die Hinterbliebenen im allerletzten Moment vor dem Ärgsten bewahrt haben. Dort wunderte man sich über die in Auftrag gegebene Überweisung nach Zypern - dort befindet sich das Konto der ominösen Betreiber des Trauerregisters. Nur so blieben die ebenfalls geforderten 395,20 Euro auf dem Konto. Hätte die Sparkasse die Überweisung ausgeführt, wäre das Geld wohl für immer weg gewesen.

"Für private oder geschäftliche Zwecke ist der Bundesadler grundsätzlich tabu."

Axel Minrath, Hoheitszeichenstelle beim Bundesverwaltungsamt

Die Macher jener Firma kommen derweil mit wenig Skrupel daher. Sie greifen kurzerhand sogar zur täuschend echt nachempfundenen Kopie des geschützten Hoheitszeichens Bundesadler, um ihrer Gebührenrechnung einen amtlichen Anstrich zu verpassen. Wer genau hinschaut, entdeckt den Unterschied: Während der echte Bundesadler mit dem Kopf nach links schaut, blickt er beim Trauerregister nach rechts. Ob die Strippenzieher des Registers für die Nutzung des täuschend ähnlichen Adlers eine Genehmigung haben, scheint zweifelhaft - die Vertreter der Firma, die die Volksstimme mangels Telefonnummer per Mail um Kontaktaufnahme gebeten hat, reagierten nicht auf die Anfrage.

Eine Sprecherin des Berliner Bundespräsidialamtes erklärt mit Blick auf den geschilderten Fall, dass seitens des Amtes "mit Sicherheit keine Genehmigung für die Nutzung des Bundesadlers erteilt wurde".

Zuständig für eine solche Nutzung des geschützten Wappens ist die Hoheitszeichenstelle beim Bundesverwaltungamt in Köln. "Hier scheint ein Missbrauch vorzuliegen", sagt Referatsmitarbeiter Axel Minrath nach Schilderung des Falles. Die Verwendung des Bundesadlers sei amtlichen Stellen vorbehalten. Und: "Selbst das Nutzen eines ähnlichen oder nachempfundenen Bundesadlers ist verboten."

"Wir haben hier generell ganz hohe Hürden. Für private oder geschäftliche Zwecke ist der Bundesadler grundsätzlich tabu", stellt Minrath klar. Genau das aber - eine Nutzung für privatgeschäftliche Zwecke - dürfte hier unstrittig vorliegen.

Fakt ist: Haben die Betreiber keine Genehmigung für die Nutzung des Hoheitszeichens Bundesadler, begehen sie nach Angaben der Staatsanwaltschaft eine Ordnungswidrigkeit: "Wappen von Bund und Ländern, der Bundesadler oder Teile eines Landeswappens dürfen ebenso wie Dienstflaggen nur mit Genehmigung genutzt werden", zitiert die Halberstädter Oberstaatsanwältin Eva Vogel aus den Paragraphen des Ordnungswidrigkeitengesetzes. Letztlich drohten Geldbußen bis 1000 Euro, heißt es aus dem Bundesverwaltungsamt.

Eine Gefahr, die die Drahtzieher hinter dem Trauerregister offenbar billigend in Kauf nehmen. Schließlich scheint die Chance, sie letztlich zur Kasse zu bitten, gering.

"Die Volksstimme distanziert sich von diesem Unternehmen und diesen Machenschaften."

Marco Sonntag, Anwalt der Mediengruppe Magdeburg

Wie auch? In den Gebührenschreiben an die Hinterbliebenen finden sich keinerlei Hinweise auf Sitz und Telefonnummer des Unternehmens. Allein eine Mail-Adresse wird dort angegeben. Wer zum Firmensitz vordringen will, muss schon die Internetseite "www.trauerregister.de" bemühen. Dort findet sich ein Impressum und der Hinweis auf den Firmensitz im Wilmington, einer Hafenstadt im US-Bundesstaat North Carolina. Vermutlich wegen der internationalen Geschäftstätigkeit ist die Mail-Adresse dort orthografisch falsch geschrieben.

Ansonsten ist die Web-Seite makellos. Und dort findet sich tatsächlich die Traueranzeige von Renate Wetzels Mann Peter. Exakt jenes Inserat, das Tage zuvor in der Volksstimme abgedruckt worden war und das auch auf der Internetseite der Volksstimme publiziert worden ist.

Vermutlich haben die Akteure des Trauerregisters das Inserat von dort. Ungefragt. Was aus rechtlicher Sicht eine Urheberrechtsverletzung sei, wie der Anwalt der Volksstimme, Marco Sonntag, unterstreicht. "Das Ganze geschieht ohne unser Wissen. Die Volksstimme distanziert sich von diesem Unternehmen und diesen Machenschaften", betont Jurist Sonntag.

Für die Macher der dubiosen Firma sind die Traueranzeigen freilich der Schlüssel, um Richtung Ziel zu gelangen. Bei Peter Wetzel taucht im Inserat der Vorname der Ehefrau auf, die Privatadresse findet sich im Telefonbuch und ist via Internet weltweit abrufbar. Der Rest ist für die Abzocker Routine.

Polizeisprecher Uwe Becker warnt ebenso wie Volksstimme sowie Bestatter und Verbraucherzentrale vor der Masche. "Wir haben aktuell vier Anzeigen aus dem Harzkreis auf dem Tisch", sagt der Hauptkommissar. Wer nach Trauerfällen Schreiben erhalte, die er inhaltlich nicht nachvollziehen könne, sollte Kontakt zum Bestatter aufnehmen und keinesfalls vorschnell finanzielle Forderungen begleichen, so der Rat.

Der Volksstimme-Verlag, die Mediengruppe Magdeburg, hat am Donnerstag vorsorglich Bestatter im nördlichen Sachsen-Anhalt über diese Masche informiert. "Wir haben alle Partner, die bei uns inserieren, vor der Betrugsmasche gewarnt und um Information ihrer Kunden gebeten", sagt eine Mitarbeiterin, die sich um Traueranzeigen kümmert.

"Wir haben in dieser Angelegenheit aktuell vier Anzeigen aus dem Harz auf dem Tisch."

Uwe Becker, Sprecher des Polizeireviers Harz in Halberstadt

Bei Versuchen, Trauernde und Hinterbliebene zu betrügen, scheinen bei skrupellosen Geschäftemachern indes alle Grenzen zu fallen. In der Vergangenheit habe es schon Fälle gegeben, in denen Witwen plötzlich Post von Porno-Versandhäusern erhielten, bei denen ihre hochbetagten Männer kurz vor ihrem Tod angeblich bestellt haben sollen, plaudert ein Insider aus. Mitunter werde dann - weil die geforderten Beträge vergleichsweise überschaubar sind und obendrein eine gewisse Scham mit im Spiel ist - gezahlt. Das Geld sei dann in aller Regel unwiderrufbar weg, warnt die Polizei.