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Sprengstoffanschlag auf Mehrfamilienhaus mit Wohnungs-Bordell / Hoher Sachschaden/ Keine Verletzten Angst vor Rotlicht-Krieg in Halberstadt

Von Regina Urbat, Dennis Lotzmann und Matthias Fricke 29.08.2014, 01:11

In Halberstadt macht die Angst vor einem Schlagabtausch im Rotlichtmilieu die Runde. Anlass ist ein gezielter Sprengstoffanschlag auf ein Mehrfamilienhaus, in dem nach Volksstimme-Informationen ein Wohnungs-Bordell betrieben wird. Dabei war in der Nacht zum Donnerstag hoher Sachschaden entstanden.

Halberstadt l Bislang Unbekannte haben in der Nacht zum Donnerstag gegen 0.45 Uhr in dem Mehrfamilienhaus in der Rosa-Luxemburg-Straße 1 in Halberstadt einen Sprengsatz gezündet. "Die Detonation im Hausflur des Erdgeschosses war so stark, dass neben der Haustür auch zahlreiche Fensterscheiben und sechs Wohnungstüren auf verschiedenen Etagen beschädigt wurden", sagte ein Polizeisprecher. Personen seien nicht verletzt worden. Vor Ort bot sich am Morgen ein Bild der Verwüstung: Die Glassplitter wurden bei der massiven Explosion bis auf die gegenüberliegende Straßenseite geschleudert.

Polizei ermittelt und hüllt sich in Schweigen

Über Details der bisherigen Erkenntnisse hüllt sich die Polizei mit Blick auf die laufenden Ermittlungen in Schweigen. Man ermittele in alle Richtungen, hieß es. Informationen, wonach der Anschlag möglicherweise im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen im Rotlichtmilieu stehen könnte, wollten Behördensprecher nicht kommentieren. Laut Polizei ist gegenwärtig auch noch unklar, ob der oder die Täter gewaltsam in das Haus eindrangen.

Mehrere Anwohner und Nachbarn im Stadtteil Wehrstedt berichteten gegenüber der Volksstimme davon, dass in dem Mehrfamilienhaus auch Personen aus der Rockerszene sowie dem Rotlichtmilieu verkehren. Ob möglicherweise ihnen der Anschlag gegolten hat? Nach Volksstimme-Informationen soll die Erdgeschoss-Wohnung, vor der der Sprengkörper - eine sogenannte Pyrotechnik-Kugelbombe - detonierte, als Wohnungs-Bordell genutzt werden.

Ein Verdacht, der an der Wohnungstür genährt wird: Auf das Klingeln öffnet ein junges Paar. Sie hätten geschlafen und seien vom lauten Knall aufgewacht, geben sie in gebrochenem Deutsch Auskunft und schließen die Tür schnell wieder hinter sich.

Anschlag mit einer Pyrotechnik-Kugelbombe

Während am frühen Donnerstagmorgen noch immer sichtlich schockierte Hausbewohner versuchen, die Erlebnisse der Nacht zu verarbeiten, beseitigen Handwerker bereits die Schäden. Ermittler der Polizei sind derweil fieberhaft damit beschäftigt, Spuren und Hinweise auszuwerten, um den Tätern auf die Spur zu kommen.

Dabei könnte ihnen ein Lapsus der Täter in die Hände spielen. Unmittelbar nach der heftigen Detonation wurde nach Volksstimme-Informationen vor dem Mehrfamilienhaus wohl eine weitere unversehrte Kugelbombe gefunden. Diese dürfte den Ermittlern wertvolle Spuren liefern. Seitens der Polizei gab es dazu keinen Kommentar.

Allein schon der Begriff "Pyrotechnik-Kugelbombe" charakterisiert die Wucht, die von derartigen Sprengkörpern ausgeht. Es handelt sich - salopp formuliert - um Knaller der Megaklasse. Im Ausland werden diese professionell hergestellten Sprengkörper sogar freiverkäuflich angeboten, oftmals von Insidern auch selbst gefertigt. Die Reste der explodierten Bombe werden jetzt von Spezialisten im Landeskriminalamt untersucht.

Anwohner berichten von einem ohrenbetäubenden Knall und einer massiven Druckwelle. Die Ruhe, die am Morgen nach der Schreckensnacht über Wehrstedt liegt, täuscht ohnehin. Längst hat sich in der Nachbarschaft herumgesprochen, was passiert ist. "Selbst bei uns hat das Haus gebebt", sagt eine junge Frau, die im angrenzenden Wohngebäude lebt. Auf ihren kleinen Vierbeiner blickend, fügt sie hinzu: "Ich bin erst kürzlich hierher gezogen und weiß nicht so recht mit diesen Vorfall umzugehen."

Ein Handwerker ist schon seit dem Morgengrauen mit der Reparatur der Einganstür beschäftigt. Immer wieder schüttelt er wortlos den Kopf - wohl über die Sinnlosigkeit solch einer Zerstörung.

"Zum Glück ist keinem etwas passiert", sagt ein Rentner. Er sei Eigentümer eines angrenzenden Hauses und tief in der Nacht durch die Explosion aufgeschreckt. "Scherben und Teile der Türen flogen bis auf unserer Grundstück. Dann herrschte helle Aufregung."

Entsetzte Nachbarn und ahnungsloser Vermieter

Was in dem Mehrfamilienhaus gespielt wird, sei ihm durchaus bewusst: Mit Sorge beobachte er das Treiben in einer der Wohnungen. Längst habe sich herumgesprochen, dass dort Damen Herren empfangen.

Eine Frau, der der Schreck noch sichtlich in den Gliedern steckt, spricht gar von Erlebnissen "wie im Krieg". Sie wohne seit 18 Jahren hier, so etwas habe sie noch nicht erlebt. "Meine Knie zittern immer noch", fügt die 58-Jährige hinzu. Ihr tue der Vermieter leid, sagt sie und blickt auf zerstörte Wohnungstüren und zerborstene Fensterscheiben. "Er wird einen Schock kriegen."

In der Tat zeigt sich der Hauseigentümer sichtlich schockiert von den Ereignissen. Er habe absolut nicht gewusst, was in der Erdgeschoss-Wohnung offenbar vorgehe, so der Halberstädter Unternehmer zur Volksstimme. "Ich besitze das Haus seit 1994 und habe jene Wohnung im Erdgeschoss seit dem Frühjahr 2013 an einen jungen Mann vermietet", erklärt der Eigentümer, der in der Vergangenheit viele Jahre kommunalpolitisch aktiv war. Der Mieter, ein Deutscher, sei bislang unauffällig gewesen und habe seine Miete stets pünktlich gezahlt. "Von Klagen der Nachbarn oder Ähnlichem ist mir nichts bekannt."

Er vermiete in Halberstadt nicht nur in diesem Objekt Wohnungen - "woher soll ich wissen, was die einzelnen Mieter machen?" Gleichwohl kündigte der Vermieter noch am Donnerstag Konsequenzen an: "Ich werde das Mietverhältnis jetzt auflösen - so schnell wie möglich."

Ob das offensichtliche Etablissement den Behörden offiziell bekannt ist, blieb am Donnerstag offen. Anfragen der Volksstimme in mehreren Behörden brachten keine Klarheit. Die Gewerbeaufsicht in Halberstadt sieht sich nicht verantwortlich. Auch seitens der Kreisverwaltung gebe es keine Zuständigkeit für dieses Gewerbe, so ein Sprecher.

Bilderstrecke: www.volksstimme.de/bombehbs