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Schöpfer der Milchschokolade Gottfried Jordan stammt aus Wernigerodes Stadtteil Hasserode Heimat eines süßen Erfinders

Von Julia Bruns 29.10.2014, 02:19

Gottfried Jordan hat in Dresden gemeinsam mit August Friedrich Timaeus die Milchschokolade erfunden. Der Mann war nicht etwa ein Schweizer, sondern stammt aus Hasserode. Belegen konnte das der Schokoladenhistoriker Jürgen Will.

Wernigerode l "Die Schweizer waren richtig sauer, als bewiesen wurde, dass die Milchschokolade in Deutschland erfunden wurde", sagt Jürgen Will im Gespräch mit der Volksstimme. Der Wernigeröder erforscht seit zwölf Jahren die Schokoladengeschichte Wernigerodes. Er ist bei seinen Recherchen zufällig auf den zweiten Beleg dafür gestoßen, dass die Milchschokolade bereits 1839 in Dresden erfunden wurde - nicht etwa wie lange vermutet von Daniel Peter 1879 in der Schweiz. "Und einer der beiden Erfinder der Milchschokolade stammt sogar aus Wernigerode", sagt Will. "Genauer genommen aus Hasserode."

Gottfried Heinrich Christoph Jordan erblickte am 9.Mai 1791 in dem heutigen Wernigeröder Stadtteil das Licht das Welt. Nachdem er eine Ausbildung in einer Materialhandlung in Blankenburg absolviert hatte, ging er nach Braunschweig. Dort war er als Handlungsreisender tätig.

"In Braunschweig traf er auf seinen späteren Geschäftspartner August Friedrich Timaeus", sagt Will. Timaeus stammt aus Celle und hatte eine kaufmännische Lehre in einer Materialwarenhandlung in Wolfenbüttel absolviert. Bis 1823 arbeitete er für die Gebrüder Reiners in Braunschweig als Kontorist und Handlungsreisender. Dort lernten sich Timaeus und Jordan kennen.

"Die beiden gingen gemeinsam nach Dresden und wurden später Hoflieferanten des sächsischen Königs." Was dazwischen geschah, ist heute zuckersüße Geschichte: 1823 gründeten die Geschäftsmänner in der sächsischen Metropole die erste deutsche Schokoladenfabrik unter dem Titel "Chocolade- und Cichorienfabrik Jordan Timaeus".

Die Fabrik befand sich zwischen der heutigen Timaeus- und Jordanstraße östlich der Königsbrücker Straße in Dresden-Antonstadt. Neben Lebensmitteln wie Zichorienkaffee wurden Nudeln und Schokolade produziert. 1830 stellten die Unternehmer eine Dampfmaschine auf.

Die Fabrik entwickelte sich schnell zu einer industriellen Größe in Dresden - und Jordan und Timaeus machten sich einen Namen als wichtigster Schokoladenhersteller Deutschlands.

1839 erlebte schließlich die Milchschokolade ihre "Geburtsstunde" in Dresden. "Lange hatte man gedacht, dass die Milchschokolade natürlich aus der Schweiz stammt", sagt Will. "Bis im Jahr 2007 ein Verein von Ingenieuren eine Werbeanzeige aus dem Jahr 1839 in einem Dresdner Archiv fand, die beweist, dass die allererste Milchschokolade der Welt in Dresden hergestellt wurde." Für einen Thaler konnte ein Pfund der Milchschokolade erworben werden. So heißt es in der Anzeige vom 22.Mai1839: "mit Eselsmilch präpariert ohne Gewürz". Milch von Eseln? "Ja, früher war es noch nicht unbedingt üblich, Kuhmilch zu verwenden. Aus der Not heraus, als die Esel keine Milch gaben, hat man es dann auch mal mit Kuhmilch probiert", sagt Will.

Er habe selbst etwas später dem Wernigeröder Antiquariar Steffen Böttcher mehrere gebundene Ausgaben der Zeitschrift "Gordian" abgekauft. "Es war vor dem Zweiten Weltkrieg die monatliche Fachzeitschrift für Kakao und Schokolade", so Will. "Beim Durchblättern des Bandes von 1923 habe ich dann einen Artikel über das Jubiläum zum 100-jährigen Bestehen der Chocoladen- und Cichorienfabrik Jordan und Timaeus entdeckt." In dem Text wird auch die Milchschokolade aus Dresden erwähnt. "Den Artikel habe ich dem Dresdner Verein zukommen lassen. Man hat sich gefreut, denn ein zweiter Beleg ist immer gut." Wernigerode sei nicht nur Heimat des Erfinders der Milchschokolade, sondern auch neben Dresden, Stuttgart und Hamburg ein wichtiges Zentrum der Schokoladenindustrie gewesen. Bis zum heutigen Tag gab es 15 verschiedene Fabriken an acht verschiedenen Standorten.

Heute erinnert beispielsweise die Fabrikruine in der Burgmühlenstraße an dieses Kapitel der Wernigeröder Geschichte. Dort stehen die Gebäude der Schokoladenfabrik von Ferdinand Karnatzki, des späteren Argenta-Werks. Die Oskar-Kämmer-Schule in der Ilsenburger Straße steht dort, wo sich einst Mauls Kakao- und Schokoladenfabrik befand. Zu Hochzeiten wurden dort 8000Kilogramm Süßwaren am Tag produziert. Die Firma hatte Niederlassungen in Düsseldorf, Hamburg und Budapest. Zum 31. März 1928 wurde die Produktion eingestellt. Wo sich heute der Aldi-Markt im Mühlental befindet, war derweil der Standort der Ronnebergschen Mostrich- und Chocoladenfabrik. 1926 meldete diese Firma Konkurs an.