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Sunhild Minkner hat die politische Wende in Blankenburg entscheidend mit geprägt Streitbar und unerschrocken

Von Jens Müller 06.11.2014, 02:13

Vor 25 Jahren ist Sunhild Minkner vermutlich als erste im Harzkreis in die neu gegründete Sozialdemokratische Partei (SDP) eingetreten. Fast eine Randnotiz in ihrem engagierten und selbstlosen Streben nach Freiheit.

Blankenburg l Es ist Mitte September im Jahr 1989. "In der Bartholomäuskirche war es so voll, dass sich auf den Fliesen ein Film Kondenswasser gebildet hat", erinnert sich Sunhild Minkner noch genau an jenen Abend. Sie hatte wie in den Wochen zuvor zum Friedensgebet eingeladen. Der riesige Zuspruch birgt die Chance, nicht nur mehrere Arbeitsgruppen zu bilden, die sich verschiedensten politischen Themen widmen. "Wir wollten auch die Gründung der Blankenburger Ortsgruppe der Sozialdemokratischen Partei (SDP) vorbereiten", erzählt die 73-Jährige.

Diese Partei um Pfarrer Markus Meckel gründet sich am 7. Oktober 1989 in Schwante und verspricht aus ihrer Sicht schlagkräftiger zu sein, als die Oppositionsgruppen wie das Neue Forum oder der Demokratische Aufbruch. Am 6. November 1989 tritt Sunhild Minkner der SDP bei. Aus diesem Anlass reist extra ein Abgesandter aus Magdeburg an. Tage später hat Blankenburg eine eigene Ortsgruppe - die erste in der Region, ist sich Sunhild Minkner sicher. Kurios: Da niemand die rund 30-köpfige Gruppe aufnehmen will, findet die Gründungsveranstaltung am 26. November 1989 in der Sakristei der Bergkirche statt.

Doch in den Wochen zuvor versammeln sich nicht nur Menschen dort, die um politische Veränderungen in der DDR kämpfen. Viele Ausreisewillige sind unter ihnen. Sie erzählen in den wöchentlichen Treffen von ihren Träumen, von ihren Ängsten, aber auch von den Schikanen der Obrigkeit. Der neunmal sechs Meter große Saal im Pfarrhaus am Schlossberg 3, in dem Sunhild Minkner seit 20 Jahren Jugendarbeit für die drei Blankenburger Kirchengemeinden anbietet, reicht nicht mehr aus.

Der Saal ist die Keimzelle der Blankenburger Oppositionsbewegung. "Das Fehlen der Demokratie war unerträglich", nennt sie als Triebfeder, etwas verändern zu wollen. Bestärkt wird sie durch die Berichte von Gleichgesinnten und eigene Erfahrungen. So wird sie Zeugin, wie Demonstranten in Leipzig und in Magdeburg in Gewahrsam genommen werden. "Das war schon beängstigend", erinnert sich die Gattin von Pfarrer Dr. Konrad Minkner. Mehrmals besucht sie Inhaftierte aus der unmittelbaren Umgebung in ihren Zellen in Halle und Leipzig, die sogar bis Weihnachten 1989 auf ihre Freilassung warten müssen.

Dieses Treiben bleibt der Staatsmacht nicht verborgen. "Unsere Veranstaltungen wurden mit Richtmikrofonen belauscht, die Treppe zur Bergkirche beobachtet", weiß sie heute. "Aber wir wussten auch, dass unter uns ein Maulwurf war", erzählt Sunhild Minkner. Lange nach der Wende kann sie dies sogar in Büchern nachlesen (siehe Infokasten).

Die Bespitzelungen halten sie aber nicht davon ab, sich weiter zu engagieren. Sie hält Kontakt zu Kirchengruppen in Leipzig, Erfurt und Magdeburg, versorgt ihre Gesprächskreise in Blankenburg mit Flugblättern und ruft dazu auf, die Kandidatenliste zu den Kommunalwahlen im Mai 1989 durchzustreichen oder gar nicht erst wählen zu gehen. Sie organisiert eine Ausstellung, in der Fragen des Umweltschutzes mit Fotos und Texten kritisch beleuchtet werden. Bis heute ist nicht geklärt, wer der Ausstellung konfisziert hat. "Wir hatten sie nach dem großen Erfolg in Blankenburg verborgt. Und als wir sie abholen wollten, war sie weg."

Enttäuscht ist die ausgebildete Organistin und Chorleiterin auch 25 Jahre nach der friedlichen Revolution von den Trittbrettfahrern, die sich "erst etwas trauten, als keine Gefahr mehr da war". "Als die Kuh vom Eis war, gab es den üblichen Verdrängungseffekt von mutigen Frauen durch nun eifrig politisierend redende Männer", sagt sie. Erstaunlich sei aus ihrer Sicht, dass im Harzkreis kaum noch jemand politische Verantwortung trägt, der die Wende mit eingeleitet hat.

Persönlich blickt sie mit Stolz darauf zurück, dass sie als Kandidatin der inzwischen gesamtdeutschen SPD 1990 mit den zweitmeisten Stimmen ihres Wahlkreises in den Wernigeröder Kreistag gewählt wurde. Ihr Ehrenamt gab sie wenig später auf, um das neue Referat für die Gleichstellung von Frau und Mann in der Kreisverwaltung zu leiten: "Ich denke, dass ich in den insgesamt 16 Jahren viel Nützliches in Sachen Frauenpolitik bewirken konnte."