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Sondersignal Martinshorn erhitzt Gemüter

Jeder dürfte froh sein, wenn Feuerwehr, Polizei und Notarzt mit
Martinshorn und Blaulicht rasch ans Ziel kommen. Doch es gibt auch
Beschwerden von Bürgern darüber - und manche Unfälle bei den Rettern
selbst. Die Feuerwehr Benneckenstein wird dagegen aktiv. Die
Ballenstedter finden ebenso klare Worte.

Von Burkhard Falkner und Dennis Lotzmann 13.02.2015, 01:34

Benneckenstein/Ballenstedt l Jüngster Auslöser für die erneute Debatte über Blaulicht, Martinshorn und Co. war einer der vielen Einsätze der Feuerwehren in der Stadt Oberharz. Die Floriansjünger aus Benneckenstein versuchten, mithilfe der beiden Sondersignale unverzüglich zum Einsatzort zu gelangen.

Tage später dann die Beschwerde von Bürgern: Wieso immer so laut durch den Ort gefahren werden müsse. Das nerve, und man fühle sich belästigt, noch dazu in einer Urlauber- und Touristenstadt. Das Ausweichen werde in den bisweilen engen Straßen auch immer schwieriger.

Kritik, die die Benneckensteiner Feuerwehrleute um Ortswehrleiterin Annett Czekay erstmal sprachlos machten. Dann aber gingen sie in die Offensive - einerseits, um für das nötige Verständnis zu werben, und andererseits, um die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verdeutlichen. Sie legen vor allem darauf Wert, dass sie die Sondersignale nicht willkürlich setzen, sondern wirklich nur bei Gefahren und Eile. "Lassen Sie unsere Einsatzfahrzeuge bitte vorbei, wenn sie Blaulicht und Martinshorn eingeschaltet haben", wendet sich Pressewart Stefan Länger an die Öffentlichkeit.

Dass es immer wieder Beschwerden über die Tätigkeit der Feuerwehr gebe, räumt auch Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse ein. Das sei einerseits verständlich, wenn sich Einsätze der Feuerwehr häufen. "Andererseits sollte doch eigentlich jeder wissen, dass wir nicht zum Spaß mit Blaulicht und Martinshorn herumfahren", so Lohse.

Der Einsatz der Licht- und Akustiksignale sei für die Feuerwehr gesetzlich vorgeschrieben, wie auch ihre Beachtung durch alle übrigen Verkehrsteilnehmer (siehe Kasten). Da gehe es letztlich um Sicherheit und um den Versicherungsschutz für die Kameraden. Und es werde darauf geachtet, dass es keinen Mißbrauch gebe. "Von Ausnahmen wie bei Kinderfesten mal abgesehen, halten sich die Kameraden daran, denn Zuwiderhandlungen ziehen Strafen nach sich", macht Lohse klar. Während er selten von Beschwerden hört, sehen sich andere Feuerwehren auch in der Kritik.

Zum Beispiel die Ballenstedter. In der Vergangenheit habe es immer wieder Kritik gegeben, erinnert sich Ortswehrleiter Holger Kohl. Der Tenor: Warum auch nachts bei Blaulichteinsätzen das Martinshorn einschalten und die Einwohner aus dem Schlaf reißen?

"Ich war damals ziemlich baff, weil ich diese Kritik absolut nicht erwartet hatte und auch nicht verstehen konnte", berichtet der Wehrchef. Zumal er seine Hand dafür ins Feuer legt, dass die Kameraden wirklich nur bei Bedarf Lärm machen. "Nachts nutzen wir das Martinshorn fast gar nicht und nur in absolut zwingenden Fällen", ergänzt Stadtwehrleiter André Waligora.

"Es gibt aber Momente, wo das zum Schutz aller Verkehrsteilnehmer gar nicht anders geht", erinnert Kohl an die gesetzlichen Vorgaben der Straßenverkehrsordnung: Das Wegerecht für Feuerwehren oder Polizei gilt demnach nur, wenn Blaulicht und Martinshorn gemeinsam gesetzt sind. "Die Regel ist eindeutig und an engen und unübersichtlichen Kreuzungen ist es einfach im Sinne aller, wenn wir gut sicht- und auch hörbar sind", sagt der Hauptbrandmeister.

Holger Kohl fand nach der Kritik rasch wieder die passenden Worte und versuchte, diese rechtlichen Eckdaten der ehrenamtlichen "Ruhestörer" in Feuerwehruniform im Amtsblatt zu verdeutlichen. Wohl mit einigem Erfolg: Seither seien die Kritiker, die sogar mit Anzeigen wegen Ruhestörung gedroht hätten, verstummt, berichtet Waligora.

Letztlich bleiben die Einsatzfahrten für die Fahrer immer mit einem Restrisiko verbunden. Sie können nur auf Vorrechte und Vorfahrt setzen, wenn beide Signale gesetzt sind. Und auch dann dürfen sie nicht blind darauf vertrauen, zeigen diverse Gerichtsentscheidungen.

Denn trotz Blaulicht und Martinshorn ist es in der Vergangenheit immer wieder mehrfach zu Unfällen mit Einsatzfahrzeugen gekommen. Einerseits ist es der Zeitdruck bei Notfällen. Andererseits das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer, mit denen die Fahrer von tonnenschweren Löschfahrzeugen rechnen müssen und auf die sie binnen Sekundenbruchteilen reagieren müssen.

Auch von dieser - quasi internen - Seite der Feuerwehr sind Benneckensteins Kameraden bemüht, das Unfallrisiko gegen null zu senken. Deshalb wurde mit einem intensiven Fahrtraining für alle Maschinisten, sprich Fahrer, der Einsatzwagen begonnen. Nach und nach sollen alle dafür infrage kommenden Kameraden noch einmal extra geschult werden. Ein Kurs mit theoretischem und praktischem Teil sei schon absolviert, teilt Stefan Länger mit.

Dabei seien das Fahren mit Stiefeln und auch die Problematik des hohen Schwerpunktes der Feuerwehrautos geübt und mancher Tipp gegeben worden. Wie der von Ausbilder Peter Wille: "Blaulicht ersetzt nicht die Bodenhaftung."