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Briefaffäre in Wernigerode Staatsanwalt legt Anzeige zu den Akten

Von Dennis Lotzmann und Regina Urbat 06.06.2015, 01:15

Halberstadt/Wernigerode l Die Strafanzeige eines früheren Stadtrates aus Wernigerode gegen den Wernigeröder Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) sowie leitende Verwaltungsmitarbeiter wegen Verletzung des Postgeheimnisses wird nicht in staatsanwaltschaftliche Ermittlungen münden. Das sagte Hauke Roggenbuck von der Staatsanwaltschaft in Halberstadt auf Anfrage der Volksstimme. Als Grund nannte Roggenbuck die lange Frist zwischen der Stadtratstätigkeit einerseits und dem Eingang der Strafanzeige andererseits.

"Im konkreten Fall liegt weder ein fristgerechter Strafantrag noch ein fristgerechter Eingang der Strafanzeige vor", erklärte Roggenbuck und ging ins Detail: "Grundsätzlich ist es so, dass der Tatbestand der Verletzung des Post- und Briefgeheimnisses ein Antragsdelikt ist, bei dem nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag eines möglicherweise Geschädigten ermittelt wird. Dabei gibt es zwischen Bekannt werden einer möglichen Tat und dem Eingang einer Strafanzeige eine Frist von drei Monaten." Genau diese Frist sei bei dem betreffenden Stadtrat bei Weitem überschritten, so Roggenbuck.

Keine Hinweise auf Straftat

Der der Volksstimme namentlich bekannte Stadtrat hatte mit Schreiben vom 19. Mai die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, Anzeige erstattet und Strafantrag gestellt (die Volksstimme berichtete). Auslöser war die Briefaffäre im Wernigeröder Rathaus, bei der ein an Stadträtin Sabine Wetzel (Bündnis 90/Gründe) persönlich adressierter Brief geöffnet worden war. Weil leitende Verwaltungsmitarbeiter diesen Vorgang zunächst als gängige und seit Jahren praktizierte Praxis dargestellt hatten, leitete der Stadtrat, der von 2009 bis 2014 in dem Gremium saß, daraus eine mögliche persönliche Betroffenheit ab und erstattete Anzeige.

Für Roggenbuck ist der Fall auch ohne tiefergehende sachliche Prüfung klar: "Der Stadtrat nennt keinen konkreten Vorfall mit einem vergleichbar geöffneten Brief an sich. Hätte es in seiner Mandatszeit als Stadtrat einen solchen Fall gegeben, hätte er diesen innerhalb der Drei-Monats-Frist zur Anzeige bringen müssen. Das ist nicht geschehen, die Antragsfrist dafür wäre heute in jedem Fall abgelaufen", so der Behördenchef.

Konsequenz für Roggenbuck: Es gibt in diesem Fall keine Hinweise auf Straftatbestände. Deshalb sei die Anzeige bereits aus formellen Gründen nicht weiter verfolgt und kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Das sei zeitnah entschieden worden, so der Oberstaatsanwalt.

Keine Entscheidung über Strafanzeige

Nach dem jetzigen Stand der Dinge ist offenbar allein Stadträtin Wetzel eine von der Verletzung des Briefgeheimnisses mögliche Betroffene. Der an sie und die Fraktion Bündnis 90/Grüne/Piraten gerichtete Brief war nach Volksstimme-Recherchen Mitte April im Rathaus eingegangen und nach späteren Angaben von Haupt- und Rechtsamtsleiter Rüdiger Dorff dort versehentlich geöffnet und inhaltlich zur Kenntnis genommen worden. Sabine Wetzel erfuhr davon wenig später.

Ob sie Strafanzeige erstatten werde, habe sie noch nicht entschieden, sagte sie am Freitag. "Wir haben der Verwaltung einen Katalog mit elf Fragen gestellt und warten bislang noch auf die Antworten. Erst danach werden wir entscheiden, wie wir weiter vorgehen werden und ob wir Anzeige erstatten", so Sabine Wetzel. Wetzel müsste spätestens bis Mitte Juli handeln, um die Drei-Monats-Frist zu wahren.