Wernigeröder backt für Kanzlerin

Wernigerode l "Frankfurt muss mehr in die Mitte!" Michael Wiecker wirft einen kritischen Blick auf die Deutschlandkarte in seiner Hand und rückt den Maintower aus Schokolade und Zuckerguss ein wenig nach links. Dann kippt der Berliner Fernsehturm zur Seite. "Dafür brauchen wir noch eine Platte zum Untersetzen." Der Konditormeister aus Wernigerode gibt letzte Anweisungen für die Dekoration der Deutschland-Torte, an der seine Mitarbeiter Antje Heinecke und Gerrit Joseph in den vergangenen zwei Wochen gearbeitet haben.

Am heutigen Dienstag wird die Torte, die den Umrissen des Landes nachempfunden ist, nach Berlin gebracht. Im Garten des Kronprinzenpalais findet das Sommerfest des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) der CDU/CSU-Bundestagsfraktion statt, das traditionell von Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet wird. Mehr als 2000Besucher trafen sich dort im vergangenen Jahr - Bundestagsabgeordnete, Minister, Unternehmer und Verbandsverteter. Dort zeigen mittelständische Betriebe wie Brauer und Winzer ihr Können - und die Konditoren. Die Torte zum Fest ist in den vergangenen Jahren von Berliner Betrieben hergestellt worden, berichtet Wiecker. Doch im Januar wurde der Wernigeröder beauftragt, im Namen des Konditorenbundes die Torte zu gestalten. "Zum ersten Mal stammt sie damit diesmal aus den neuen Bundesländern", so Wiecker.

Der Wernigeröder freut sich über den Auftrag. "Das ist etwas Besonderes." Für die Torte gilt das allemal. Das etwa 2,80Meter mal 1,80 Meter große Backwerk besteht aus mehreren Biskuitschichten, zwischen die Pariser Creme oder Canache gelegt wird, eine Mischung aus Sahne und Schokolade. "Auf der Torte sind verschiedene, prägnante Bauwerke dargestellt", erklärt Wiecker. Der Hamburger Michel ist ebenso vertreten wie das Brandenburger Tor, der Kölner Dom und die Münchener Frauenkirche. Mittendrin thront prominent das Wernigeröder Rathaus. "Die Schaustücke sind aus Schokolade und Zucker gefertigt", so Wiecker.

Konditorin Antje Heinecke hat zwei Wochen lang getüftelt, um die Gebäude nicht nur süß, sondern auch standfest zu machen. "Das war nicht einfach. Hinzu kommt die Vielseitigkeit der Vorbilder - allein die vielen kleinen Fenster." Zur Seite stand ihr dabei ihr Kollege Gerrit Joseph.

Nun sind die Schaustücke fertig und für den Transport in die Hauptstadt verpackt. Der Kühlwagen mit Torte und Dekoration verlässt spätestens mittags die Fachwerkstadt, denn zwei Stunden vor Festbeginn werden sowohl Mitarbeiter als auch Torte akribisch von der Polizei kontrolliert. Um 18Uhr beginnt das Fest, nach der Begrüßung soll die Bundeskanzlerin die Torte gemeinsam mit Michael Wiecker anschneiden. "Davon möchte ich unbedingt ein Foto haben", verrät der Unternehmer. Das soll später in seinem Café am Markt an den großen Tag erinnern.

Die Chancen, von der vielbeschäftigten und vielbeanspruchten Angela Merkel beachtet zu werden, stehen laut Wiecker gut: "Dadurch, dass unser Stand gleich neben der Bühne steht, kommt sie auf jeden Fall bei uns vorbei." Der Konditormeister hofft außerdem, dass er die Kanzlerin zu einem Stück Deutschland-Torte aus Wernigerode verführen kann. Ein Umstand könnte ihm allerdings einen Strich durch die Rechnung machen: "Im vergangenen Jahr sagte sie, dass sie abends nichts Süßes mehr isst."