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Getreu dem Bibelspruch: "In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen" Evangelisch einmal, katholisch zweimal klingeln

Von Egmont Uhlmann 10.02.2011, 04:31

Unterschiedliche christliche Glaubensrichtungen müssen nicht in jeder Beziehung gegensätzlich sein. Das beweisen ein katholischer und ein evangelischer Pfarrer, die in aller Freundschaft unter einem gemeinsamen Dach wohnen.

Wienrode. Seit dem 1. November vorigen Jahres wohnen sie unter einem Dach: der evangelisch-lutherische Gemeindepfarrer Oliver Meißner und der katholische Pfarrer im Ruhestand Wolfgang Golla. Im Wienröder Pfarrhaus haben die beiden Kirchenmänner praktisch eine "ökumenische Wohngemeinschaft" gebildet. Wer hier an der Haustür einmal klingelt, dem öffnet der protestantische Pastor. Bei zweimaligem Läuten erscheint der pensionierte katholische Priester an der Eingangspforte.

Oliver Meißner ist bekanntlich Gemeindepfarrer für die Kirchgemeinden der Blankenburger Ortsteile sowie einigen ebenfalls zur Propstei Bad Harzburg gehörenden Oberharzer Gemeinden. In der Wienröder Pfarre wohnte außer dem Pastor bis vor kurzem noch eine ältere Wienröderin. Als die Wohnung frei wurde, kam dem Geistlichen die "Erleuchtung", das Haus auch über Konfessionsgrenzen hinaus zu nutzen. Pfarrer Golla kannte er schon eine Weile, und so weckte er auch bei seiner Kirchenbehörde das Interesse an dem Vorhaben, das im vorigen Herbst in die Tat umgesetzt wurde.

"Jugendarbeit lag mir sehr am Herzen"

Nun ist Wolfgang Golla in der Tat in dem kleinen Blankenburger Ortsteil am Silberbach kein Unbekannter, obwohl er bis zu seiner Pensionierung Pfarrer im südbrandenburgischen Herzberg an der Elster war. Zu Wienrode hat er jedoch eine Verbindung, die weitaus älter und sehr gefestigt ist.

Von 1967 (ein Jahr nach seiner Priesterweihe) bis 1971 war er Vikar beziehungsweise Kaplan in der Blankenburger Sankt Josef Gemeinde. Damals war er auch für die Kinder- und Jugendarbeit in den umliegenden Orten zuständig. "Die lag mir sehr am Herzen, obwohl es damals von staatlicher Seite keinerlei Unterstützung gab", erinnert sich der Seelsorger noch heute. Mit einigen Tricks und auch hartnäckigen Verhandlungen habe er immer wieder Grundstücke für Ferienfreizeiten junger Gemeindeglieder und Familien besorgt, so wie die immer noch bestehende am Wienröder Schachtweg. Dort hatten sich die beiden Pfarrer nach 1990 auch kennengelernt und Freundschaft geschlossen.

"In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen", so lautet ein biblischer Spruch (Joh. 14.2). "Den haben wir im Kleinen bei uns in die Tat umgesetzt", sagen die Geistlichen, die längst so vertraut miteinander sind, dass sie trotz des nicht unerheblichen Altersunterschieds inzwischen zum vertrauten "Du" übergegangen sind.

"Ich habe hier so viele neue Freunde"

Für den Pensionär, der seit 1981 als Gemeindepfarrer arbeitete, ist es inzwischen der neunte Umzug und soll wohl auch sein letzter gewesen sein. "Ich habe hier so viele alte und neue Freunde, dass ich keine Angst mehr vor einer Vereinsamung im Alter haben muss", sagt er ganz entspannt.

Eine Kleinigkeit unterscheidet die beiden Kirchenmänner außer ihrer unterschiedlichen Konfessionszugehörigkeit dennoch: Oliver Meißner ist als ehemaliger Westdeutscher ein bekennender Liebhaber nostalgischer Fahrzeuge aus DDR-Produktion. Sein Mitbruder zeigt dagegen für derlei Technik kaum Interesse. Vielleicht sieht man beide dennoch gelegentlich auf Harzreise im grünen "Trabbi" oder braunen "Wartburg". Die zwei gut erhaltenen Teile stehen hinter dem Pfarrhaus fahrbereit.