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Harzer KoBa-Chef Dirk Michelmann zieht 100-Tage-Bilanz Weder Bilderbuchstart noch holprig

Von Tom Koch 14.04.2011, 04:33

Die Wernigeröder KoBa ist am kommenden Sonntag genau seit 100 Tagen auch für die Betreuung von Hartz-IV-Betroffenen im gesamten Harzkreis zuständig. KoBa-Chef Dirk Michelmann hat diesen Termin genutzt, um vor der Presse sein erstes Fazit zu ziehen: Viele Probleme habe er erwartet, von den großen Erwartungen an seine Behörde sei er allerdings überrascht.

Halberstadt. "Wir wollen nicht in irgendeinen statistischen Jubel verfallen, das ist nicht unser Anspruch, sondern mit ehrlichen Daten aufwarten." KoBa-Chef Dirk Michelmann misst den Auftrag an seine Behörde auch daran, dass künftig weniger Harzer auf staatliche Finanzhilfen angewiesen sind.

Der "Eigenbetrieb Kommunale Beschäftigungsagentur Jobcenter Landkreis Harz" – ein Name in feinstem Bürokratendeutsch, mit dem selbst der Landrat so seine Probleme hat – ist seit 100 Tagen harzkreisweit für die Betreuung von Hartz-IV-Betroffenen zuständig. Wobei KoBa-intern diese Bezeichnung tunlichst vermieden wird, dort ist von SGB II- bzw. SGB III-Regelsatzempfängern oder von Kunden die Rede. Aktuell erhalten 28 449 Frauen und Männer Geld von der KoBa, hinzu kommt die Zuständigkeit für rund 12 000 Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien.

Für Michelmann bedeutet die gewachsene Zuständigkeit "die größte Veränderung nach der Kreisgebietsreform". Angesichts der "unterschiedlichen Herkunft und Geschäftsmodelle" habe er die anfänglichen Schwierigkeiten erwartet.

Neu seit 3. Januar ist, dass auch jene Mitarbeiter der Kreisverwaltung und der Bundes-Arbeitsagentur zur Harzer KoBa gehören, die bislang in Halberstadt und Quedlinburg in den sogenannten Arbeitsgemeinschaften tätig waren. Bis hin zur technischen Aufgabe, Computer und Telefone in der Zeit vom 30. Dezember zum 3. Januar für die jetzt insgesamt 400 Mitarbeiter in Blankenburg, Halberstadt, Quedlinburg und Wernigerode umzustellen.

"Das ist die größte Veränderung nach der Kreisreform"

Mitten hinein in diese Fusionsphase kam die neue gesetzliche Regelung, die Hartz-IV-Empfängern monatlich fünf Euro mehr zubilligt. "Überstunden ohne Ende" waren eine Folge davon, auch quasi ständige Sonnabendarbeit von 60 Mitarbeitern. Anfang März allerdings, so verrät es Dirk Michelmann, habe selbst er "einige schlaflose Nächte gehabt". Voller Sorge, dass die KoBa es nicht schaffe, pünktlich das Geld auszuzahlen.

Inzwischen, so kündigt er an, werden die Nachzahlungen für die ersten drei Monate berechnet und der Antragsstau weiter abgearbeitet. Sein Wunsch an die Belegschaft sei, dass man gemeinsam schnell zusammenwachse, nicht mehr nach "Arbeitsgemeinschaft" oder KoBa trenne oder nach Mitarbeitern aus der Kreisverwaltung oder der Bundes-Arbeitsagentur.

Gleichwohl, so macht Michelmann deutlich, die unterschiedliche Entlohnung dieser Beschäftigten erleichtere diesen Prozess gewiss nicht. Allerdings könne diese Situation weder von der KoBa-Leitung noch vom Kreistag geändert werden.

Dass Agentur-Mitarbeiter in der Regel mehr Geld verdienen, deswegen in den kommenden Jahren auf viele Lohnerhöhungen verzichten müssen, sei genauso wenig motivierend wie die Tatsache, dass aus der Kreisverwaltung stammende Kollegen weniger Gehalt erhielten. Michelmann appelliert an die Tarifpartner, diese Ungleichbehandlung zu beenden, zumal es bundesweit das sogenannte Optionsmodell mit kommunalen Beschäftigungsagenturen gebe, dieses Problem also keine Harzer Eigenart sei.

Dass – ob real oder geschürt – an die KoBa in Halberstadt und Quedlinburg große Erwartungen gerichtet wurden, beispielsweise auch an die räumlichen Bedingungen, berichtet der Wernigeröder Behördenchef. Zumal diese Situation nicht binnen vier Wochen zu ändern sei.

Angesichts der Intensität der Kritik bis zum falsch erhobenen Vorwurf, in der KoBa würde es einen Datenmissbrauch geben, zeigt sich Michelmann ebenso verwundert. Die neue Strategie sei, den Dialog zu suchen, beispielsweise einmal im Quartal in Gesprächen mit der "Initiative gegen Sozialabbau". "Den großen Weltschmerz können wir damit nicht lösen. Aber wir versuchen, hinzuschauen wo vor Ort das Getriebe klemmt", sagt Michelmann.

"Den Weltschmerz können wir damit nicht lösen"

"Eingespielt", so seine Formulierung, habe sich ebenso das Verhältnis von KoBa und Halberstädter Arbeitsagentur. Ob allerdings KoBa-intern alle Mitarbeiter bereits an ihrem "richtigen Schreibtisch" sitzen, ließ Michelmann offen: "Es wird weitere Diskussionen über unseren richtigen Weg geben, auch über den Personalbesatz. Wir werden dabei – das Ziel ist zur Jahresmitte – noch wechseln, um überall gleichstarke Teams zu erhalten."

Welchen Anspruch hat der KoBa-Chef an seine Behörde? Man wolle kundenfreundlich, schnell und serviceorientiert arbeiten, bekräftigt er anlässlich seiner 100-Tage-Bilanz vor der Presse.

Befragt, wie er den Start der Kommunalen Beschäftigungsagentur in Halberstadt und Quedlinburg einschätze, erklärte Dirk Michelmann: "Es war gewiss kein Bilderbuchstart, aber auch kein besonders holpriger."