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Heizer und Lokführer reagieren geistesgegenwärtig / Fahrgäste bleiben unversehrt Baum stürzt auf Gleisanlage – plötzlich kracht ‘ s im Führerstand

Von Regina Urbat 14.01.2010, 05:52

Die Warnungen vor herabfallenden Ästen und umstürzenden Bäumen sind nicht von ungefähr. So geschehen am Dienstag im Drängetal, wo eine Lok der Harzer Schmalspurbahnen mit einer umgekippten Buche kollidiert ist. Zu Schaden kommt niemand, Lokführer und Heizer haben ausgezeichnet reagiert.

Wernigerode. Nur wenige Touristen sind an dem Dienstag im Harz unterwegs. In Drei Annen Hohne fährt der Zug Nummer 8932 vom Brocken ein. Pünktlich verlässt er um 13. 53 Uhr den kleinen beschaulichen Bahnhof, ein Dutzend Reisende sitzen gut gelaunt in den Waggons der Harzer Schmalspurbahnen ( HSB ). Sie alle wollen nach Wernigerode.

Für Lokführer Torsten Rieche und Heizer Marcel Henning eine ganz normale Fahrt durch die prachtvolle Winterlandschaft. Jedoch nur wenige Minuten. Dann schreit plötzlich der 25-jährige Heizer : " Anhalten, halte an !" Kurz hinter einer Kurve liegt ein riesiger Baum quer auf den Gleisen. Marcel Henning hat ihn zuerst gesehen und Alarm geschlagen. Geistesgegenwärtig leitet Torsten Rieche sofort die Notbremsung ein. Im Führerstand kracht und poltert es mächtig, Räder quietschen, die Waggons ruckeln. Dann steht der Zug. Die Dampflok schnauft, sie klingt irgendwie anders.

Umgehend nimmt der 44-jährige Lokführer mit der Zugbegleiterin Annerose Wittig Kontakt auf und erkundigte sich über Sprechfunk : " Ist mit den Reisenden alles in Ordnung ?" Ist es.

Selbst der Jüngste an Bord, ein knapp zweijähriger Knirps, sitzt mit Oma und Opa quicklebendig auf der Bank. Von der brenzligen Situation hat niemand etwas mitbekommen. Nur Verwunderung herrscht, warum die Bahn so plötzlich mitten auf der Strecke, kurz vor dem Drängetal, angehalten hat. Die Zugbegleiterin klärt auf und beruhigt zugleich : " Wir sind mit einem Baum kollidiert, es wird schon einen Moment dauern, bis es weiter geht. Hilfe ist angefordert. "

Lokführer und Heizer stapfen durch den hohen Schnee, noch sitzt ihnen der Schreck in den Gliedern. Sie analysieren den Schaden : Der schnaufende Koloss und alle Waggons stehen noch fest auf den Schienen. Hinunter ins Tal zur Einsatzzentrale melden sie : " Doch ohne Kettensäge kommen wir nicht vom Fleck !" Die Lok 997239-9 hat die gut 80 Jahre alte Buche, die vom Hang samt Wurzel auf das Gleisbett gestürzt ist, mit dem Tender gerammt und der ganzen Kraft ihres 60-Tonnen-Gewichts zwar zur Seite gedrückt, doch nicht weit genug.

Der Stamm klemmt unter der Lok fest, dicke Äste liegen kreuz und quer. " Der muss gerade erst umgestürzt sein ", stellt Marcel Henning fest. Der Wernigeröder ist auch gelernter Forstmann und schaut fast ehrfürchtig zu den anderen Großbäumen in unmittelbarer Nähe. " Das fehlt noch, dass noch einer unter der Schneelast herunterkracht. " Sein Chef klopft ihm sanft auf die Schulter, beide packen an und räumen das Geäst so gut es geht mit den bloßen Händen zur Seite. Dabei kommen sie mit Reisenden ins Gespräch. Aufmunternde Worte werden gewechselt, stets mit dem Fazit : " Zum Glück ist nichts Schlimmeres passiert. "

" Ein Bienchen !

Da habt ihr aber

prima reagiert "

Die Dampflok hat am Kohlenkasten eine mächtige Beule, zwei der drei Scheinwerfer sind aus den Verankerungen gerissen. " Ansonsten scheint alles zu funktionieren ", sagt Torsten Rieche. Der Hasselfelder ist schon viele Jahre bei der HSB tätig, hat sich vom Heizer über Triebwagenfahrer im April vergangenen Jahres zum Dampflokführer qualifiziert. Für ihn wie auch für Annemarie Wittig und Marcel Henning ist es der erste Unfall dieser Art.

Nach knapp einer Stunde Erleichterung. Matthias Kätzel fährt ganz vorsichtig die Diesellok heran. Mit ihm sind zwei Experten vom Serviceteam gekommen. In Windeseile zersägt Bernd Zieprich den Stamm, Sohn Sven hievt die Stücken in die Böschung. Die beiden Schierker sind ein eingespieltes Team. Lokführer Kätzel begutachtet die Unfallstelle und zollt seinen Kollegen ein Lob : " Ein Bienchen ! Da habt ihr aber prima reagiert. "

15 Minuten später ruckeln die Waggons. Die Fahrt geht weiter, als wäre nichts geschehen. Oder doch ? Auf dem Bahnhof in Wernigerode angekommen, verabschieden sich Fahrgäste und HSB-Personal mit einem freundlichen " Auf Wiedersehen ".