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Zeitarbeitsfirma "ts-timeservice" aus Reddeber ist die erste in Ostdeutschland, die den neuen "Tarifplus"-Vertrag anwendet Menger: "Zielt auf Fairness in der Branche ab"

01.03.2012, 04:24

Die Leiharbeitsfirma "timeservice" aus Reddeber ist die erste in Ostdeutschland, die den "Tarifplus"-Tarifvertrag anwendet. Die Übergabe der Tarifurkunde geriet zur Debatte um Ethik und Moral, über Geld wurde genauso gesprochen.

Von Tom Koch

Reddeber l Dass dieser Tarifvertrag für die Leiharbeitsbranche etwas Besonderes ist, verdeutlichen allein diese Zahlen: Bundesweit verfügen 16000Personen über die Erlaubnis der Bundes-Arbeitsagentur, Zeitarbeiter zu vermitteln, eigens dafür gibt es bundesweit etwa 8000deutsche Firmen. Diese vermitteln derzeit die Arbeitskraft von rund 900000Frauen und Männern an andere Betriebe. Bundesweit gibt es 130Firmen mit rund 40000Beschäftigten, die von der Initiative Qualitätssiegel Leiharbeit zertifiziert wurden. Gerade einmal 38 zwischen Sylt und Zugspitze wenden den "Tarifplus"-Vertrag an, darunter seit wenigen Tagen die Firma "ts-timeservice" aus Reddeber - als erste in Ostdeutschland.

"Die einzig entscheidende Frage ist: Was wollen unsere Kunden?", fasst Norbert Fuhrmann zusammen. Der Geschäftsführer der Initiative Qualitätssiegel Leiharbeit hat im Dezember in Nordrhein-Westfalen mit der IG Metall einen Tarifvertrag für die Branche abgeschlossen, der seiner Meinung nach beispielhaft ist. Forderungen, die die Politik oder andere Tarifparteien erheben, sind darin bereits enthalten: Branchenzuschläge, Beseitigung von Ost-West-Unterschieden, Zeitetappen zur weiteren Lohnangleichung und eine Lohnerhöhung vom ersten Tag an überhaupt.

Fuhrmann: "Das ist ein Premium-Tarifvertrag"

Für Fuhrmann nicht nur deshalb ein "Premium-Tarifvertrag", weil auch andere große DGB-Gewerkschaften außer der IG Metall daran interessiert sind. Mit der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie gibt es bereits sehr konkrete Verhandlungen, die mit Verdi stünden bevor.

"timeservice"-Geschäftsführer Wolfgang Menger kündigte an, er werde ganz gezielt auf Unternehmen, Verbände, IHK, KoBa und Gewerkschaften in der Region zugehen, um "auf diesen Tarifvertrag hinzuweisen, der auf Fairness in der Branche abzielt".

Laut Menger sei das Ilsenburger Radsatzwerk sein erster Kunde, der diesen Vertrag anwende. Seine Mitarbeiter dort fühlten sich dem Unternehmen so sehr verbunden, dass sie sich ganz selbstverständlich auch an innerbetrieblichen Ideenwettbewerben des Radsatzwerkes beteiligten.

Er wies erneut darauf hin, dass gute Mitarbeiter nur dann zu halten sind, wenn diese gut bezahlt und bei anderen Tarifleistungen ebenso fair behandelt würden. Unter seinen rund 150Leiharbeitern gebe es einige, die bereits seit mehr als zehn Jahren für "timeservice" tätig sind.

Geef: "Für eine maximal mögliche Gleichbehandlung"

Mit dem Grobblechwerk in Ilsenburg arbeite Menger bereits seit langem erfolgreich zusammen, und das mit einem speziellen Branchen-Tarifvertrag. Dessen Personalchef Harald Geef betonte, dass das Unternehmen großen Wert darauf lege, die Zeitarbeiter nicht als Mitarbeiter zweiter Klasse zu behandeln. Von den rund 820Walzwerkern seien 52Leiharbeiter, die rund zwei Jahre für das Unternehmen tätig sind. "Wir haben dabei hohe ethnische Standards mit einer maximal möglichen Gleichbehandlung, auch bei der Entlohnung", bekräftigte Geef.

In den aktuellen Tarifverhandlungen der IGMetall, so deren Chef in Halberstadt Rüdiger Schnell, seien sowohl die Lehrlingsübernahme als auch die Leiharbeit Schwerpunkte. Der Gewerkschafter erneuerte seine Grundkritik an Leiharbeit, wenn diese deutlich schlechter bezahlt werde als bei den sogenannten Stammbelegschaften. Darum begrüßte er, dass der "Tarifplus"-Vertrag schnell deutliche Einkommensverbesserungen für die Zeitarbeiter vorsehe.

Wolfgang Menger sagte auch, der neue Tarifvertrag bedeute zugleich, dass sich die Leiharbeit für die Unternehmen zwar verteuere, seine Partner dazu wegen Fragen der Ethik, der Qualität und der gelebten Firmenpartnerschaft dazu bereit seien. Zudem würden zunehmend staatliche Fördergelder auch an eine faire Leiharbeiter-Entlohnung geknüpft.