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Folgen des Wassers werden sichtbar Die Ernte ist hin, die Müllabfuhr kommt wieder

Von Gudrun Billowie 18.06.2013, 03:17

Wolmirstedt l Das Hochwasser hat sich aus der Stadt verzogen. Deichläufer haben ihren Dienst eingestellt. Die Müllabfuhr kommt wieder nach Glindenberg. Doch Sorgen bleiben, denn jetzt drückt das Grundwasser von unten auf Felder und in Keller.

Aus dem Kuhstall in Glindenberg dringt lautes Muhen. Die evakuierten Kühe sind wieder zu Hause. Auch die Pferde sind wieder zurückgekehrt und grasen friedlich. Die vier Jungstörche im Nest am Kreisverkehr sind die ganze Zeit dageblieben. Ihre Eltern haben derzeit sicherlich keine Not, Futter zu finden. Am Donnerstag, 20. Juni, werden die blauen Tonnen aus Glindenberg abgeholt. Sie waren vergangene Woche stehen geblieben, weil keine Müllabfuhr ins Sperrgebiet fährt.

Und doch ist nicht alles gut, auch wenn fast alles gutgegangen ist. Die Sandsäcke sind noch vor den Häusern gestapelt, die Zeit des Aufräumens liegt noch vor denen, die sich geschützt haben. Und auch das Wasser ist noch da. Es kommt jetzt von unten und drückt in die Keller. Und anders als die Glindenberger Kühe dürfen die Kühe des Bauern Friedrich an der Glindenberger Chaussee noch nicht zurück. An dieser Chaussee gibt es noch immer keinen Strom. Damit ist auch die Biogasanlage der Agrar-GmbH noch außer Betrieb.

Für die Kühe ist so eine Evakuierung Stress, auch wenn ihnen das Wasser erspart geblieben ist. Die Milchleistung leidet darunter. Andere Fut-terrationen, andere Melkbedingungen verwirren die Tiere.

Bauernverband spricht von "Totalschadenernte"

Das Wasser steht derzeit sehr deutlich auf dem Glindenberger Sportplatz und im Auwald an der Elbstraße. Der Spiegel reicht fast an die Fahrbahn der Straße heran. Das darf so sein, denn ein Auwald ist ein Wald, der hin und wieder überflutet werden möchte. Schlimm hingegen trifft es die Bauern. Die Felder waren komplett überflutet. Die Ackerflächen zwischen Wolmirstedt und Glindenberg gleichen noch immer einer Seenlandschaft. Inzwischen drängt dort das Wasser von unten. Fauliger Geruch liegt in der Luft. Die Ernte ist hin. Wolfgang Köhler, der Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes, spricht von einer "Totalschadenernte."

In Wolmirstedt selbst und in den Ortsteilen Farsleben und Glindenberg sind 7500 Hektar betroffen, so viel Acker, dass 7500 große Fußballfelder daraufpassen. Weizen, Raps oder Mais sind hinüber. Ein großer Teil der Fläche war dem Grünland vorbehalten. Grünland ist die Futtergrundlage der Tiere und auch davon ist nicht mehr viel übrig. Doch die Landwirte können sich offenbar aufeinander verlassen. "Die Hilfsbereitschaft der nichtbetroffenen Bauern aus der Umgebung ist riesengroß", sagt Wolfgang Köhler. Viele bringen derzeit Futter zu den betroffenen Landwirten. "Dennoch hoffen wir auf eine Entschädigung", sagt Wolfgang Köhler, "500 Euro für jeden Hektar, der unter Wasser gestanden hat, sollte es geben."

Der Glindenberger Ortsbürgermeister, Alfons Hesse, ist froh, dass "sein" Dorf letztlich nicht überflutet wurde. Dennoch: "Der nördliche Deich ist so stabil wie ein eingetunkter Zwieback", sagt er. Nun blickt er erwartungsvoll nach vorn, weil er weiß, dass Elbe und Ohre jederzeit wieder so viel Wasser mitbringen und ausufern können. "Es muss dringend eine neue Strategie her", so Hesse, "wie mit künftigen Hochwassern umgegangen wird." Das Glindenberger Ortsoberhaupt stimmt in den Chor derjenigen ein, die für die Polderwirtschaft plädieren. "Mit Nach- und Hochbau der Deiche ist es nicht mehr getan. Es müssen Überflutungsflächen geschaffen werden."

Vorerst aber hofft er, dass der sachsen-anhaltinische Umweltminister Hermann Onko Aeikens darüber nachdenkt, die Mittel für die noch nicht sanierten fünf Deichkilometer zwischen Glindenberg und Heinrichsberg bereitszustellen. Das hatte Aeikens bei seinem Besuch in Wolmirstedt versprochen. Innerhalb dieser nichtsanierten Strecke hatte es am vergangenen Mittwoch den Deichrutsch gegeben.

Die Deiche wurden am Sonntagabend das letzte Mal von Deichwachen kontrolliert. Ab jetzt liegen sie wieder in den Händen des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft, der auch die Sandsäcke von den Kronen entfernen wird.

Erste Anträge auf Hilfe sind eingegangen

Im Wolmirstedter Rathaus werden seit gestern Anträge für die Soforthilfe angenommen. Die ersten fünf Anträge sind bereits eingegangen. Wer nachweisen kann, dass sein Haus vom Hochwasser betroffen ist, bekommt Geld, 400 Euro pro Erwachsener und 250 Euro pro Kind. "Es wird in den kommenden Tagen mit weiteren Anträgen gerechnet", heißt es aus dem Rathaus.