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In Wolmirstedt praktizierender Hausarzt spricht über die Schwierigkeiten des Niederlassens Apel hält Poliklinik für gute Lösung

05.09.2014, 01:21

Der drohende Hausärztemangel beschäftigt mittlerweile den Stadtrat. Eine Arbeitsgruppe unter Federführung von Mark Krogel-Riemann (FDP) will sich des Problems annehmen. Volksstimme-Mitarbeiterin Gudrun Billowie wollte von Hausarzt Ulrich Apel wissen, welche Chancen es für die Nachwuchsgewinnung gibt. Der 45-Jährige praktiziert seit zwölf Jahren in Wolmirstedt.

Volksstimme: Herr Apel, warum haben Sie sich in Wolmirstedt niedergelassen?

Ulrich Apel: Die interessante Mischung aus Stadt- und Landbevölkerung hat mich gereizt, es ist also genau das Richtige für die Allgemeinmedizin. Ich hatte Glück und durfte die Praxisnachfolge von Dr. Tietz antreten, welcher die Patienten seit 1973 in Wolmirstedt und Umgebung versorgte.

Welche Bedingungen müssen Hausärzte erfüllen, wenn sie sich niederlassen möchten?

Die Frage nach den Niederlassungsbedingungen ist komplexer. Voraussetzung ist die Anerkennung als Facharzt für Allgemeinmedizin. Danach geht man auf die Suche nach einer geeigneten Praxis. Hat man die gefunden, stellt man beim Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung (hier Sachsen Anhalt) den Antrag auf Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung. Soweit der formale Werdegang.

Das klingt einfach, aber vier der neun Hausärzte Wolmirstedts sind über 70. Warum finden die Kollegen keine Nachfolger?

Im Jahr meiner Niederlassung 2002 betrachteten die Kollegen die Praxis noch als Altersvorsorge, sprich, man einigte sich mit seinem Nachfolger auf einen Ablösebetrag für den ideellen und materiellen Wert der Praxis. So wurde das "Lebenswerk" wenigstens noch finanziell gewürdigt, denn man hatte ja viel Geld in die Ausstattung investiert. Heute, zwölf Jahre später, gilt man als Lottogewinner, wenn die Praxis weitergeführt wird. Die Ursache der Probleme in der Allgemeinmedizin liegt in den vergangen Jahrzenten.

Zu DDR-Zeiten wurden die Patienten in den Polikliniken und staatlichen Arztpraxen versorgt. Die Wende brachte eine Änderung der Versorgungsweise hin zu eigentümergeführten Kassenarztpraxen. Die Kollegen, die damals so alt waren wie ich und heute vor der Rente stehen, nutzten die Möglichkeit der Niederlassung. Um das Hin und Her der letzten Jahre um die Honorierung der Kassenärzte nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab zu beschreiben, bräuchte man eine extradicke Wochenendausgabe der Volksstimme.

Schlugen sich die Änderungen auch schon während der Ausbildung nieder?

Allgemeinmedizin spielte praktisch nur noch eine untergeordnete Rolle. An den Universitäten gab es keine ernste allgemeinmedizinische Lehre. Man konzentrierte sich auf die anderen großen Fächer und belächelte die Kollegen, die keine Herzen transplantieren wollten.

Allgemeinmedizin und wissenschaftliche Forschung passen ja oberflächlich gesehen nicht zueinander. Diese organisierte Verantwortungslosigkeit stellt sich heute als fataler Fehler heraus. Die Versorgung der Bevölkerung in der Fläche wird schwieriger, die Wege für die Patienten weiter. Nun gibt es eine Unmenge an ernst und nichternst zu nehmenden Ideen, um diese Talfahrt aufzuhalten. Als jetzt jammernder Hausarzt muss ich mir natürlich auch die Frage gefallen lassen, was ich selbst für den Nachwuchs getan habe.

Und, was haben Sie getan?

An den Universitäten Magdeburg und Halle gibt es inzwischen sehr engagierte Professoren für Allgemeinmedizin. Viele Praxen, haben sich inzwischen als Lehrpraxen registrieren lassen und bilden Studenten aus. Auch unsere. Eine gewaltige Aufgabe.

Ich glaube es dauert noch Jahre, bis unser Nachwuchsproblem besser wird. Unsere Gesundheitslandschaft wird in zehn Jahren eine andere sein. Es ist politisch so gewollt.

Haben Sie eine Idee, was die Stadt Wolmirstedt tun kann, um das drohende Hausarztproblem zu lösen?

Grundvoraussetzung ist natürlich das Interesse am Thema. Die Kommunen waren ja bisher mit diesem Thema nicht beschäftigt. Vor allem taugt dieses Thema nicht für Wahlkampfversprechen. Die Arztpraxen sind wichtige Standortfaktoren. Unser Bürgermeister Martin Stichnoth hat die Ernsthaftigkeit der Lage, glaube ich, verstanden. Die Arbeitsgruppe zur Problematik ist ein guter Anfang. Gerne biete ich meine Mitarbeit an. Mein persönlicher Traum ist eine Poliklinik für die Menschen hier und in der Umgebung, unterstützt durch die Stadt mit mehreren Kollegen in Kooperation verschiedener Fachrichtungen und flexiblen Arbeitszeitmodellen.