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Imker Reinhard Jacob würde sich für die Honigsammlerinnen weniger Grasmahd wünschen Die Bienen brauchen wilde Blumen

Von Gudrun Billowie 12.03.2015, 02:17

Reinhard Jacob kümmert sich seit 55 Jahren um Bienen. Die Varroa-Milbe macht auch seinen Völkern zu schaffen. Trotzdem setzt er auf natürliche Gegenwehr und baut sich ein paar Reservevölker auf.

Wolmirstedt l Reinhard Jacob könnte sich getrost als König bezeichnen. Größenwahn wäre das nicht, denn der 68-Jährige herrscht über 60 Völker. Zu jedem Volk gehören ungefähr 50000 Untertanen. Allerdings sind die kleiner als Bonbons und Jacobs Krone ist ein flacher Hut, von dem ein Schleier bis auf die Schultern herabhängt. Reinhard Jacob ist Imker.

Die Bienenvölker schlummern noch träge im Winterschlaf, sind zu einer Kugel zusammengerückt, in deren Mitte die Königin sitzt. Als Reinhard Jacob den Deckel lüftet, lösen sich ein paar Tiere aus dem Bienenball und summen in die kalte Märzluft hinaus. Die meisten bleiben aufeinander hocken und zittern mit den Flügeln, weil das Wärme erzeugt.

Bienen, die von einem Virus und der Varroa-Milbe befallen sind, können das nicht. Sie kommen mit verstümmelten Flügeln zur Welt und sterben. "Ich beuge mit Oxal- und Ameisensäure vor", sagt der studierte Mathe-Physiklehrer, "das sind natürliche Mittel, die gehen weder in das Wachs noch in den Honig über." Trotz der Behandlungen hat es die Hälfte seiner Elbeuer Völker erwischt. "Entweder haben die Mittel nicht gewirkt oder die Bienen haben woanders gefressen und die Milbe gleich mitgebracht." Von seinen Völkern, die in der Heide leben, haben 90 Prozent überlebt.

Wie die meisten Imker ist auch Reinhard Jacob dazu übergegangen, ein paar Reservevölker aufzubauen. Das sollten ausgerechnet die befallenen Elbeuer Völker sein. Doch Reinhard Jacob macht weiter.

Jedes Volk liefert im Schnitt etwa 40 Kilogramm Honig. Ein großer Ausreißer nach oben war das Wendejahr. Als alle Welt mit dem Durcheinander zweier Systeme beschäftigt war, erntete der Imker im Stillen über 100 Kilogramm Honig pro Volk. Das war phantastisch. "Nur haben sich damals viele Bürger erst mal auf Langnese gestürzt", musste Reinhard Jacob erleben. Das Handgemachte vom Imker nebenan war im Rausch der Wiedervereinigung aus dem Blickfeld geraten. Dafür kaufte ein Hamburger kannenweise den Honig, bis sich die Leute aus der Börde wieder ihrer Bienen erinnerten.

Trotzdem hatte sich das Leben gedreht. Vorher waren Imker ihren Honig im sozialistischen Großhandel losgeworden, nun mussten sie direkt verkaufen. Das hat Reinhard Jacob zwar gegen die sozialistische Richtung schon zu DDR-Zeiten getan, aber jetzt gab es das Standbein des Großhandels nicht mehr. Die Stammkunden brauchten nicht soviel Honig, wie auf dem Jacobschen Hof lagerte. Also musste der Imker unter die Leute.

"Wir waren fast jedes zweite Wochenende unterwegs", erzählt er. Schnell haben sie sich einen Verkaufswagen zugelegt, der flexibel überall hingezogen werden konnte. Das Geschäft lief. Irgendwann stiegen die Standgebühren auf den Märkten, Stromkosten wurden verlangt und immer mehr Imker boten auf diese Art ihre Ware an. Jacobs zogen die Konsequenzen. "Überall, wo Standgebüren und Erlöse nicht mehr zusammenpassten, haben wir es gelassen."

Selbst in Wolmirstedt und Farsleben, wo der Imkerwagen jeden Adventsmarkt bereichert hat, war er in den letzten Jahren nicht mehr zu finden. Reinhard Jacob winkt ab. "Ach, wenn das Wetter nicht mitspielt und die Knochen wehtun..." Der Verkaufshänger ist veräußert, wer Honig möchte, kommt nach Elbeu oder findet ihn in den kleinen regionalen Läden, die die Elbeuer Gläser verkaufen.

Schwieriger ist auch die Sache mit dem Heidehonig geworden. Noch vor wenigen Jahren durfte er seine Wagen zwischen die Erika stellen, aber jetzt gibt es andere Regelungen, andere Schlösser und beengte Zutrittszeiten für das gesperrte Gebiet. Er könnte nicht mehr jederzeit nach seinen Bienen schauen, schon gar nicht während der Schießzeiten. Aber Reinhard Jacob ist schon zu lange dabei, als dass er sich davon aus der Bahn werfen lassen würde. Er kennt Stellen, an denen Kornblumen blühen, weiß von Akazienkolonien an der Elbe und arbeitet mit einem Rapsbauern zusammen. Der züchtet Vermehrungsraps, für dessen Bestäubung die Bienen unerlässlich sind. Beide profitieren voneinander, Imker und Bauer.

Reinhard Jacob weiß nicht, wie es mit seinen Bienen weiter geht, wenn er nicht mehr kann. Seine Kinder haben woanders ihren Lebensmittelpunkt gefunden, die Enkel sind noch zu klein, um eine Prognose zu stellen.

Würde eine Fee kommen, wüsste Reinhard Jacob auf Anhieb drei Wünsche, die sie für die Bienen erfüllen könnte. Der erste Wunsch wären mehr Bienenblütenstreifen auf den Feldern. Dafür bekommen Bauern sogar eine Förderung. Der zweite Wunsch wäre, dass in Privatgärten vor allem Blumen mit ungefüllten Blüten ausgesät und gepflanzt werden. Die halten wesentlich mehr Pollen bereit. Und der dritte Wunsch wäre, dass in der Stadt nicht so oft die Wiesen gemäht werden. Was die Augen der Bürger als ordentlich bewerten, macht die Bienen nicht unbedingt glücklich. "Die Weißkleeblüten sind immer schnell wieder weg."