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Werner Schierhorn wurde auf dem Neujahrsempfang für sein Engagement ausgezeichnet Tonfigur der Katharina wacht jetzt über die Chronik der Stadt

Von Gudrun Billowie 03.03.2011, 05:33

Auch Tage nach dem Neujahrsempfang stand Werner Schierhorn die Freude über die Verleihung der "Katharina" noch ins Gesicht geschrieben. "Damit habe ich wirklich überhaupt nicht gerechnet", sagt der Historiker und findet es schön, dass seine ehrenamtliche Arbeit als Chronist mit einer so liebreizenden Statue gewürdigt wird.

Wolmirstedt. Werner Schierhorn ist sicher schon als Chronist geboren, und es dauerte auch nicht lange, bis er dahinter kam. "Ich hatte in der Schule geschichtsinteressierte Lehrer", sagt er, "denen habe ich immer genau zugehört". Besonders die Römer haben es ihm angetan. In deren Geist unternahm er vor wenigen Jahren mit seiner Frau eine seiner schönsten Reisen. "Wir fuhren am Limes entlang", schwärmt Schierhorn, "besuchten den Ort der Varusschlacht, die ausgegrabenen Römerstädte bei Xanten."

Das sind die großen Glückseligkeiten des Historikers, die Arbeit des Chronisten hingegen geschieht im Verborgenen, braucht Beständigkeit und Interesse, das täglich neu entflammt.

"Die 1000-Jahr-Feier war der Höhepunkt der Geschichtsdarstellung"

Schierhorn wurde 1935 als Sohn eines Elbeuer Landarbeiters geboren, hatte Lehrer, die die Kaiserzeit kannten, erlebte selbst das Nazi-Regime, den Sozialismus und die Nachwendezeit. Schon allein das ist ein Fundus, aber Schierhorns Interesse reichte weiter zurück. Er las nicht nur über Griechen und Römer, sondern auch alles, was er über die Stadtgeschichte in die Finger bekam, lernte dabei viel über Flurnamen, die Geschichte der Hildagsburg, die Walbecker Grafen.

Dennoch wurde er Fleischer. "Bei der Hausschlachterei lernte ich den damaligen Chronisten Otto Zeitke kennen", verrät er, "wir zogen nach Feierabend zusammen auf die Höfe". Das Schlachten verlor mit der Zeit an Bedeutung, die Leidenschaft für Vergangenes verbindet bis heute. Beide veröffentlichten Artikel zur Heimatgeschichte. Als Otto Zeitke den Schwerpunkt aufs literarische Schreiben verlegte, übertrug der Kulturbund die Chronik an Werner Schierhorn.

Das war 1968, vor 43 Jahren, und seitdem hat er sie nicht aus der Hand gegeben. "Damals gab es eine Verordnung über das Führen einer Chronik", erzählt der 76-Jährige, "das gesellschaftliche Leben, die soziale und wirtschaftliche Entwicklung einschließlich der Post mussten systematisch erfasst werden". Die Post, ein Feld, bei dem Werner Schierhorns Herz höher schlägt. "Ich war lange Briefmarkensammler", gesteht er, "die Motive darauf ergeben ein Bilderbuch der Geschichte."

Sein Buch der Geschichte gibt die Entwicklung Wolmirstedts von 1945 bis 1973 wieder. Der dicke Wälzer im A 3-Format fasst mehrere Hundert Seiten und liegt im Stadtarchiv. Das war ein Zwischenergebnis, denn die Zeit lief weiter und der Chronist lief mit. Immer mehr drängte in Schierhorn der Wunsch, das Hobby zum Beruf auszuweiten. Bis dato bei der Polizei angestellt, erwarb er um den vierzigsten Geburtstag herum das Abitur, wurde Fernstudent der Geschichte der Berliner Humboldt-Uni. Mit 48 Jahren durfte er sich Historiker nennen und fing bald darauf als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Museum an.

Das war ohnehin längst seine Wissensquelle und zweite Heimat geworden. Mit Feuereifer baute er gemeinsam mit dem Bergmannsverein eine Ausstellung zur Geschichte des Kalibergbaus auf, die bis vor wenigen Jahren im Tonnengewölbe des Schlosses gezeigt wurde. Ab 1990 war er Museumsleiter, blieb bis zur Rente.

Bei aller Zufriedenheit über diesen Weg betont Schierhorn: "Ohne meine Frau hätte ich das alles gar nicht geschafft." Ohne ihre Rückendeckung hätte er weder zusätzlich sechs Jahre lang Vorsitzender seiner Kleingartensparte sein können, noch könnte er ausführlich für viele Publikationen recherchieren. Er veröffentlichte in Zeitungen, beim Landesheimatbund, in der Festschrift zum tausendjährigen Jubiläum der Stadt. "Der Höhepunkt der Geschichtsdarstellung", aber kein Endpunkt für Schierhorn. Zurzeit erforscht er die Geschichte der Stadt zur Zeit des Königreichs Westphalen, bekannt unter dem Namen "Franzosenzeit". Eine Zeit, die ihn begeistert. "Unsere heutigen Kommunalstrukturen, unsere Gesetzgebung, gehen wesentlich auf diese Zeit zurück...", sprudelt er über.

Die Chronistenarbeit ist weiterhin Teil der Schierhornschen Tage, eine Maulwurfsarbeit, emsig und weit entfernt vom Lichte der Öffentlichkeit. "Chronistenarbeit bedeutet, jeden Tag in die wichtigste Quelle schauen, in die Tageszeitung, Artikel auswählen, Ergänzungen anfügen, Bilder dazu tun, im PC erfassen."

Nur eins ist für Werner Schierhorn neuerdings anders: Nicht nur seine Ehefrau schaut ihm beim Arbeiten zu, sondern jetzt auch die tönerne Katharina.